Presse

So lässt er sich für tot erklären

In Emmendingen wird Erich Kästners Komödie „Verwandte sind auch Menschen“ in einem Steinbruch gespielt

Die Spanplatten-Kulisse der zweistöckigen Millionärsvilla passt gerade noch zwischen die wilden Eschen und Findlinge, über die Wiese erstreckt sich ein Dielenboden mit großbürgerlichem Wohnzimmer-Mobiliar, und ein trutziges Pappmaché-Tor neben zwei Tannen verhilft den Akteuren zu effektvollen Auf- und Abgängen. Dahinter erhebt sich senkrecht eine hohe Felswand in den samtig blauen Sommernachtshimmel, ein schroffes Stein-Halbrund mit Lianen und dichtverfilztem Gestrüpp. Mit Erich Kästners relativ unbekannter Komödie „Verwandte sind auch Menschen“ ist wieder Spielzeit im Emmendinger „Theater im Steinbruch“, einem der Freilufttheater in der Regio mit beeindruckend romantischem Flair.

Einen kurzen Spaziergang von der Stadtmitte entfernt liegt das rund 4000 Quadratmeter große Areal direkt hinter der ehemaligen Schuhfabrik-Maya. Durch einen kleinen Park mit alten Bäumen und Teich, Fackeln und Holzbuden führt der Weg in den Kessel des Steinbruchs. Das überdachte Amphitheater bietet Platz für rund 300 Menschen und ist meist ausverkauft. Aus Freiburg kommen die wenigsten, hier findet sich vor allem Stammpublikum aus Emmendingen selbst und dem nördlichen Breisgau.

Die Sache hat Tradition: Seit den 60er-Jahren wird in dem alten Steinbruch Sommertheater gespielt, erst von der 1923 gegründeten „Volksbühne Emmendingen e. V.“ und nun, seit letztem Jahr in fast gleicher Besetzung, von dem neugegründeten Verein „Theater im Steinbruch“. Für die Erwachsenen zeigt man Komödienklassiker sowie Mantel-und-Degen-Stücke, für die Kleineren die großen Kinderzimmergeschichten mit vielen kleinen Akteuren, mit Tanz und Musik: „Pipi Langstrumpf im Takatuka-Land“ und „Dschungelbuch“ die Jahre davor und dieses Jahr „Der Zauberer von Oz“.

Das Amateurtheater arbeitet mit Engagement und wie ein großer Familienbetrieb. Von den 120 aktiven Mitgliedern stehen 50 im Alter von fünf bis 60 Jahren in den beiden Stücken auf der Bühne, die anderen verkaufen in der Pause Bratwürste und Wein, bauen Kulissen und kümmern sich um Technik, Presse oder Kostüme. „Bei mir ist die ganze Familie dabei, anders ginge das gar nicht“, sagt Clemens Allweyer, der im Kästner-Stück den Justizrat gibt. Simone Allweyer führt Regie im Stück „Der Zauberer von Oz“, in dem ihre beiden Kinder Feldmäuse und Zwerge sind.

Es ist die Liebe zum Theater unter freiem Himmel und zu diesem einzigartigen Spielort, die jedes Jahr wieder motiviert, sich ehrenamtlich für das Projekt einzusetzen. Für sechs Wochen im Jahr mit 24 Aufführungen ist der zeitliche und materielle Aufwand für die Laienschauspieler groß: Schon im Winter beginnen die Vorbereitungen für das neue Stück, geprobt wird in der letzten Phase vor der Aufführung täglich nach Feierabend. Die diesjährige Komödie „Verwandte sind auch Menschen“ wurde 1933 von Erich Kästner und Eberhard Keinsdorff geschrieben und wegen Kästners Berufsverbot 1937 unter dem Pseudonym Eberhard Foerster veröffentlicht.

Die turbulente Familiengeschichte ver- und entwickelt ihre Stränge in klassischer Manier: Der in Amerika zu Vermögen gekommene Stefan Blankenburg greift zu einem Trick, um seine ihm unbekannte Verwandtschaft der Habgier und Rücksichtslosigkeit zu überführen. So lässt er sich als tot erklären und versammelt die liebe Familie zur Testamentseröffnung in seiner Villa. Er maskiert sich als der Diener Leberecht Riedel, und nun schneien allerhand schräge und exzentrische Vögel ins Haus, die einer Erbschaft alle nicht abgeneigt wären. Doch entgegen Blankenburgs pessimistischer Erwartungen sind diese Leute sympathisch und originell . . . Das Stück unter der Regie von Jens Katzmarzik bringt eine heiter-verworrene Geschichte mit Wortwitz, Situationskomik und jede Menge unterschiedlichster Typen auf die Bühne.

Badische Zeitung, 30.07.2003

Verwicklungen im Steinbruch

„Verwandte sind auch Menschen“: Premiere in Emmendingen

Auch (Ver)erben will gelernt sein – das zeigt sich auf sehr vergnügliche Weise bei der Komödie „Verwandte sind auch Menschen“ des Theaters im Steinbruch, das am Samstag eine gelungene Premiere feierte.

Es gibt viel zu lachen bei diesem Stück, das unter der Regie von Jens Katzmarzik flott und prägnant gespielt wird. Das beginnt mit der Ankunft der lieben Verwandten, die einander die Türe in die Hand geben, weil der reiche Erbonkel sie herbestellt hat. Unterschiedliche Typen haben Erich Kästner und Eberhard Keinsdorff kreiert und sie geben den Laienschauspielern viel Gelegenheit zu zeigen, was in ihnen steckt. 

Da ist etwa Doris Watzka als herrlich kesse Berliner Göre Emma Schramm; ihre ätherische Künstler-Schwester Cäcilie (Kathrin Holz), die einen Mann zum Anhimmeln sucht. Das Professorenpaar (Christian Fuhrmann und Simone Allweyer) möchte die Villa am liebsten gleich für sich requirieren. Als „Familie Zander“ machen Harald Hornung und Brigitte Schepers die Rangordnung deutlich: Er regiert die Familie (drei Jungs, gespielt von Benedikt Bachert, Adrian Meier und Johannes Wipfler) und sie ihn. Souverän auch Elsbeth Weber als würdige Tante Paula. Das krasse Gegenteil: Michael Schäfer als Referendar, der wunderbar einen verhinderten Sherlock Holmes gibt. Ganz das nette Mädchen ist seine Schwester (Simone Bruder als Hildegard Böhmke). Der flotte Justizrat (Clemens Allweyer) hat sie alle im Griff – bis sich die Geschichte ein bisschen anders entwickelt als erwartet.

Schuld hat Diener Leberecht Riedel. Marc Sommer spielt einen recht eigenartigen Dienstboten, der viel Stoff zum Schmunzeln bietet. Er meistert eine Art Doppelrolle, ein Theater im Theater. Der Reiz: Das Publikum erfährt recht früh davon – und amüsiert sich königlich über die Verwicklungen. Eine Doppelrolle mit Pfiff gilt auch für Gunter Hauß als „Theodor Blankenburg“; er spielt ihn mit einer guten Portion Durchtriebenheit und zugleich so liebenswert, dass man dem Tunichtgut nicht böse sein kann. Auch der würdige „fremde Herr“ (Karl-Heinz Herdrich) ist nicht ganz das, was er scheint. Mehr wird nicht verraten, ein bisschen Spannung darf sein.

Badische Zeitung, 02.07.2003

Theaterakteure und Regisseur wurden mit Ovationen gefeiert

Rund 200 Gäste erlebten eine gelungene Premiere

Wetter gut, alles gut. Nach monatelangen Vorbereitungen und vielen Schweißperlen durften sich die 13 Akteure um Regisseur Jens Katzmarzik nach der gelungenen Premiere des Erwachsenen-Stückes „Verwandte sind auch Menschen“ (Erich Kästner und Eberhard Keinsdorff) die verdienten Lorbeeren abholen. Mit ihnen freuten sich am Samstag rund 200 begeisterte Gäste, die das Schauspiel-Ensemble beim großen Finale im Freilichttheater am Steinbruch noch lange feierten.

„Es hat alles bestens geklappt“, so ein hochzufriedener Vereinsvorsitzender Clemens Allweyer gestern im ET-Gespräch. Zum bombigen Premierenwetter passte das ausgelassene Publikum und die bestens aufgelegten Akteure. Und auch das Eröffnungskonzert des Musikvereins Vörstetten zur Einstimmung der Gäste im Rahmen eines Sektempfangs stieß auf großen Zuspruch. Großer Wehrmutstropfen: Mit dem kürzlich verstorbenen Armin Partzsch verlor der Verein ein engagiertes Gründungsmitglied und langjährigen Aktiven. Allweyer gedachte des „alten Theaterhasen“ und vielseitigen Allrounders (Vorstand, Regisseur und Akteur) mit großer Hochachtung und würdigte seine Verdienste für den Verein.

Die anspruchsvolle Familienkomödie traf exakt den Nerv des Publikums. Die Kästner-Geschichte um eine vorgetäuschte Erbschaft und ihre unerwarteten Folgen liefert den willkommenen Stoff für die anschließenden Verwicklungen und begeisterte durch ihren hintersinnigen Humor.

Die Story: Stefan Blankenburg (Marc Sommer) ist in jungen Jahren nach Amerika ausgewandert und macht dort das große Geld. Als er im Rentenalter in seine Heimat zurückkehrt, beschleicht ihn eine boshafte Idee: Als sein eigener Diener verkündet er sein Ableben und lässt die erbgierige Verwandtschaft zur Testamentseröffnung antanzen: ein Heidenspaß, den er bald bereut. Die vermeintlich geldgierige Verwandtschaft entpuppte sich in einem ganz neuen Licht.

Spielfreude pur: Der Zuschauer erlebte eine Komödie, die Lust machte auf mehr und einfach alles bot, was Theater so faszinierend macht. Glänzend inszeniert von Regisseur Jens Katzmarzik und umgesetzt von Akteuren, die vor Spielfreude nur so sprühten und mit ihrer Rolle auf Du und Du waren. So präsentierte sich ein gut aufgelegter Hauptdarsteller Leberecht Riedel (Marc Sommer) in seiner Paraderolle als Diener, ein energischer und pflichtbewusster Justizrat Ernst Klöckner (Clemens Allweyer), der den Justizbeamten alle Ehre machte, ein gewiefter und findiger Journalist Lothar Bildt (Gunter Hauß) oder der stark militärisch angehauchte Bürovorsteher Otto Zander und seine strammen Jungs und viele andere mehr. Und wer’s verpasst hat: Die nächste Vorstellung folgt am kommenden Freitag um 20.30 Uhr.

Emmendinger Tor, 02.07.2003

Lernen im Zug, mit Karteikarten und Tonband

„Verwandte sind auch Menschen“ hat Samstag, 20.30 Uhr Premiere / Proben laufen auf Hochtouren

Wenn die Zuschauer der Premiere zu „Verwandte sind auch Menschen“ nur halb so viel Spaß haben wie die Akteure des „Theaters am Steinbruch“ bei ihren Proben, selbst wenn mal ein Stückchen Text fehlt, dann ist ein rundes Theatervergnügen garantiert.

Vorerst freilich schaut Regisseur Jens Katzmarzik immer wieder auf die Uhr: Mehr Tempo fordert er für das vergnügliche Stück von Erich Kästner und Eberhard Keinsdorff. Doch das kriegen die Spieler schon in den Griff, zwei Haupt-und eine Generalprobe werden noch stattfinden. Und wenn sich Spielfreude mit dem Adrenalin des Premierenfiebers mischt, dürfte es eine gewohnt flotte Aufführung geben.

Ja, die Proben laufen auf Hochtouren in dem alten Steinbruch. Angefangen haben die 16 Darstellerinnen und Darsteller nach Ostern mit zwei bis drei Probenterminen in der Woche, dann trafen sie sich viermal wöchentlich und jetzt, in der heißen Phase unmittelbar vor der Premiere, siebenmal – „nur noch“, flachst einer. Aber das macht nichts, die Stimmung ist glänzend auf und hinter der Bühne – siehe oben. Obwohl die Schauspieler nicht nur ihre Rolle, sondern auch so manche andere Aufgabe zu meistern haben. Selbstverständlich ist, dass jeder mit anfasst, wo es nötig ist. So springt Gunter Hauß dann schnell mal bei der Lichttechnik ein, und um seine Requisiten muss sich ohnehin jede(r) kümmern. Etwa Koffer packen: „Dein Koffer darf nicht so leicht sein“, heißt die Regieanweisung an Kathrin Holz.

Das Spiel – das ist nicht nur Mimik und Gestik, Stechschritt und Schreiten, „Berlinern“ und gestelzte Ausdrucksweise, das ist für jeden erst mal eine ganze Menge Text. Wie man den lernt? Das, finden die Laienschauspieler, sei kein Problem – aber dennoch hat jeder seine eigene Methode. „Das Lernen ist das Wenigste“, meint Clemens Allweyer, der auf der Fahrt zur Arbeit im Zug lernt und auch die Mittagspausen dazu nutzt, sich den Justizrat Ernst Klöckner anzueignen. Für Gunter Hauß, im Stück „Theodor Blankenburg“, reichen die Textproben, das Meiste eignet er sich dabei an. Und Harald Hornung, der den Bürovorsteher Zander spielt, hat seinen Text während eines zweiwöchigen Griechenland-Aufenthalts gelernt. Marc Sommer, in der Rolle des Stefan Blankenburg alias Leberecht Riedel, arbeitet mit Karteikarten und Tonband: er spricht sich seinen Text auf Band und hört ihn sich dann wieder an. Doch so unterschiedlich die Methoden, man hört: Es funktioniert. Meist schon bei den Proben und selbst bei brütender Hitze.

Badische Zeitung, 27.06.2003