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Skurrile Persiflage auf das Lebensgefühl der Jugend

Das Theater im Steinbruch hat am 25. September Premiere mit dem Zweipersonenstück „norway.today“ von Igor Bauersima.

Das Theater im Steinbruch, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, lädt am Dienstag, 25. September, zur Premiere des Stückes „norway.today“ auf der Bühne der Cinemaja ein. Der Vorverkauf hat bereits begonnen.

Zur Geschichte: Die lebensmüde 20-jährige Julie möchte sich umbringen, und zwar auf nicht ganz unspektakuläre Weise. Sie plant eine Reise nach Norwegen, um sich dort im Winter von dem 600 Meter hohen, schneebedeckten Preikestolen-Felsen am Lysefjord in den Tod zu stürzen. Zudem möchte sie den Schritt oder Sprung in den tödlichen Abgrund nicht alleine vollziehen, sondern sucht im Internet nach Gleichgesinnten, die sich ihr anschließen wollen. Sie trifft in einem Chatroom im Internet auf den 19-jährigen August, der sich auf diesen Plan einlässt und bereit ist, diese letzte Reise nach Norwegen mit ihr anzutreten. Julie hat genug, ist satt, sieht nichts, was das Leben für sie an Lebenswertem noch bereit halten könnte; für August gibt es im Leben nichts echtes, alles ein einziger Fake. Er fühlt sich „am Leben“, aber nicht „im Leben“.

Nach ihrer Ankunft in Norwegen gerät die Vorbereitung des Sprungs von der Klippe zum dramatisch-komischen Geschlechterkampf zwischen Julie, die am liebsten gleich springen möchte und August, der sich mehr Zeit lassen und erst noch ein Zelt aufbauen will. Bei der Planung ihres Abgangs aus der Welt werden die beiden Verzweifelten irgendwie vom Leben wieder eingeholt. Und es stellt sich für sie erneut die Frage „No way today“ oder eher „No way to die?“

Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas ist das Stück auch eine skurrile Persiflage auf das Lebensgefühl junger Leute im digitalen Zeitalter. Das Internet dient als Plattform für die eigenen Selbstmordpläne und selbstverständlich soll der Sprung in den Tod auch nicht erfolgen, ohne dass zuvor eine Videobotschaft der Nachwelt hinterlassen wird, die digitale Form eines Abschiedsbriefs.

Das Zweipersonenstück „norway.today“ von Igor Bauersima war in den Jahren 2003 und 2004 das meistinszenierte Stück auf deutschsprachigen Bühnen. Das Stück kommt am 25., 26., 28. und 29. September jeweils auf der Kleinkunstbühne der Cinemaja (Steinstraße) zur Aufführung. Beginn ist jeweils um 19 Uhr.

Badische Zeitung, 05.09.2012

Verabredung zum Selbstmord

Vor der Premiere: Das Zwei-Personen-Stück „Norway Today“ wird vom Theater im Steinbruch in der Cinemaja inszeniert.

Julie will Selbstmord begehen. Aber nicht alleine. In einem Chatroom lernt sie August kennen. Die beiden beschließen, nach Norwegen zu fahren, um sich vom Preikestolen-Felsen in den Lysefjord zu stürzen – so beginnt das Zwei-Personen-Theaterstück norway.today vom Theater im Steinbruch, das am Dienstag im CineMaja Premiere feiert. Ein Jugenddrama, das viel Wortwitz enthält, nachdenklich macht, aber trotzdem nicht betrübt. Das Stück basiert auf einer wahren Begebenheit, erzählt Regisseur Gunter Hauß. Ein 25-jähriger Norweger habe im Internet einen Partner für seinen Selbstmord gesucht und dabei eine 17-jährige Österreicherin kennengelernt. Er bezahlte ihr das Flugticket nach Norwegen, die beiden sprangen von der Klippe in den Tod. Allerdings hat der Autor des Stücks, Igor Bauersima, die Geschichte literarisch aufgearbeitet und den Verlauf variiert. So ist es auf der Bühne Julie, die August antreibt, mit ihr nach Norwegen zu fahren, um Selbstmord zu begehen.

Eigentlich habe das Stück aber kaum Handlung, erklärt Hauß. Die meiste Zeit reden Julie und August nämlich nur. Und trotzdem sei es kein schweres Stück. Gerade das mache den besonderen Reiz aus. Der Autor hat viel Wortwitz eingebaut, die Rollen greifbar gemacht. Diese nun auf der Bühne glaubhaft darzustellen – das ist die Aufgabe des Regisseurs und der beiden Schauspieler. „Wir wollen, dass die Leute denken, so jemand könnte auch bei mir nebenan wohnen“, erläutern sie.

Für die Darsteller Juliana Bachert und Lorenz Allweyer ist es die erste Rolle, die so ein ernstes Thema aufgreift. Zuvor haben sie beim Kinder- und beim Schultheater vorwiegend Komödien gespielt. Doch genau das hat den Reiz der Rolle ausgemacht „So etwas kriegst du nicht mehr so schnell angeboten“, dachte sich Allweyer. Juliana sah es als Chance, sich als Schauspielerin weiterzuentwickeln. Deshalb wollte sie unbedingt dabei sein.

Am Anfang war es für die beiden schwierig, ihre Rollen zu verstehen. Doch nach der Zeit hätte sie sich damit angefreundet, erzählt Bachert. Das lag auch an der guten Vorbereitung. Denn schon im Februar fing die Arbeit an dem Stück an. Es wurde gelesen und diskutiert. Auch Filme zum Thema Selbstmord hat das Dreier-Team geschaut. Außerdem sind sie auf den Münsterturm gestiegen, um die Höhe der Klippe nachfühlen zu können. Um sich besser in ihre Rollen hineinfühlen zu können, mussten die beiden Schauspieler Facebook-Profile von Julie und August erstellen. Da musste man sich überlegen, wie diese heißen, wo sie wohnen, welche Musik sie hören und welche Filme ihnen gefallen. So haben nun auch beide ein klares Bild ihrer Rolle.

August sei Kind berufstätiger Eltern, wahrscheinlich aus dem Mittelstand, stellt sich Lorenz vor. Sicher sitzt er viel vor dem Computer, hat wenig Freunde und auch noch nie eine Beziehung zu Mädchen gehabt. Juliana würde ihre Rolle nicht als die typische Selbstmörderin beschreiben. „Julie wirkt wahrscheinlich ziemlich normal“, meint sie. Außerdem sei sie sehr forsch und gebe August öfter mal einen Tritt in den Arsch. Dabei will sie sich aber nicht anmerken lassen, dass sie in Wirklichkeit genauso viel Angst vor dem Tod hat wie er.

Vieles an dem Stück fällt aus dem normalen Repertoire des Amateurtheaters – so auch, dass es nur aus zwei Figuren besteht. Die Arbeit sei zwar anders, erzählt Hauß, dadurch aber auch umso intensiver. Man könne in der kleinen Gruppe viel konzentrierter arbeiten, dadurch sei das Stück „wahnsinnig pur“ geworden.

Zwei junge Menschen, die den Großteil ihrer Zeit in der virtuellen Welt verbringen und dann das absolute Naturerlebnis am Norweger Fjord suchen – ein wahrer Selbstfindungstrip, bei dem sie merken, dass sie keinen Grund haben zu sterben, aber auch keinen, weiterzumachen. So bringt Hauß die Essenz des Stücks auf den Punkt.

Badische Zeitung, 22.09.2012

Ein Kammerspiel mit Fjord

Das Theater im Steinbruch inszeniert das Selbstmörder-Drama „norway.today“ und stellt wichtige Fragen.

Zwei Jugendliche haben genug vom Leben. Glauben sie jedenfalls. Und fahren nach Norwegen, um sich gemeinsam von einer Klippe zu stürzen: Das ist, kurz zusammengefasst, die Handlung des Theaterstückes „norway.today“ von Igor Bauersima. Die Emmendinger Inszenierung des Theaters im Steinbruch feierte am Dienstag in der halbvollen Cinemaja Premiere. Das Zwei-Personen-Stück stellte das Schauspiel der beiden jungen Akteure in den Mittelpunkt – und zeigte, dass das Leben gar nicht mal so sinnlos ist.

Die beiden lernen sich im Internet kennen. In einem Chatraum. Mit Tastaturen in der Hand stehen die Schauspieler am äußersten Bühnenrand. „Ich werde, und das ist keine plötzliche Entscheidung, bald Selbstmord begehen“, spricht Julie (gespielt von Juliana Bachert) in die Leere – und zum Publikum als anonymer Masse. „Will jemand mitkommen?“ Sie findet einen Freiwilligen: August (Lorenz Allweyer). „Lang lebe der Tod“, sagt Juli. „Wir brauchen ein Zelt. Und was zu Essen.“

Julie ist, so scheint es zumindest, die überzeugtere der beiden. August wirkt unentschlossener, fast schon wie ein Mitläufer. Allweyer stellt ihn als tapsigen, unsicheren Teenager im Kurt-Cobain-T-Shirt dar. Aber auch Juli mit ihrer bestimmenden Art, ihrer Kühle und ihrer schneidenden Stimme ist nicht die abgeklärte Lebensmüde, als die sie sich ausgibt. Die Wahrheit zeigt sich in Norwegen.

Regisseur Gunter Hauß inszeniert die Reise der beiden in den Norden als Diashow: August und Juli mit Rucksäcken am Bahnhof, ein Blick aus der Economy-Klasse in Richtung Tragfläche, ein verschneiter Waldweg. Die Klippe selbst ist schmucklos: Zwei hölzerne Keilkonstruktionen stellen den Abgrund dar – und die Bühne, auf der das Drama seinen Lauf nehmen soll.

Das Selbstmordbündnis bröckelt. „Kannst du nicht mal schweigen?“, faucht Julie. „Warum?“, fragt August. „Weil du nichts sagst.“ Bauersimas Stück fordert den beiden jungen Akteuren viel ab, gerade deshalb, weil auf der Bühne eigentlich kaum etwas passiert. Meistens reden die beiden nur. Warten auf Godot mit Fjord.

Sie zweifeln. Die Klippe sei 600 Meter hoch, rechnet August vor, das würde eine Fallzeit von zehn Sekunden bedeuten. Was tun in dieser Zeit? „Du hast Angst“, krittelt Juli, „du machst schlapp.“ Die Situation eskaliert, die beiden kämpfen – und dann zeigt sich, dass der Tod gar nicht so verlockend ist.

„Norway.today“ lässt wichtige Fragen offen. Zum Beispiel die, warum um alles in der Welt es Juli und August es eigentlich so schlecht geht, dass sie sterben wollen. Das ist Absicht: Es gibt nämlich Fragen, auf die gibt es keine Antworten, kann es keine Antworten geben – die nach dem Sinn des Lebens ist eine davon.

Die Inszenierung von Gunter Hauß kommt leichtfüßig daher, hat aber trotzdem Tiefgang. Das Spannendste ist vielleicht, dass „norway.today“ trotz des traurigen Themas und Hintergrundes – das Stück basiert lose auf einer wahren Geschichte – trotzdem alles andere ist als eine Anleitung zu Trübseligkeit und Weltuntergangsstimmung. Irgendwie geht es ja immer weiter.

Badische Zeitung, 27.09.2012

Tiefer Einblick in „verletzte Seelen“

Theater im Steinbruch wagt sich an Tabuthema heran

Es gibt Stücke, die gehen unter die Haut, sie machen dich nachdenklich, machen dich sehr traurig, lassen dich regelrecht erstarren. Eine Grenzerfahrung nicht nur für die Zuschauer, zugegebenermaßen auch für den Verfasser dieser Zeilen.

Das viel diskutierte Drama „norway.today“ von Igor Bauersima wurde vom Theater im Steinbruch (Regie: Gunter Hauß) in den letzten Tagen gleich viermal in der „Maja-Bühne“ gespielt. Vorweg: Eine schauspielerische Glanzleitung von Juliana Bachert und Lorenz Allweyer als Julie und August. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Zwei Teenager entschließen sich, Selbstmord zu begehen. In Norwegen an einer Felsenklippe, „bewaffnet“ mit einer Videokamera für ihre allerletzte Botschaft an die Welt. Größten Respekt für den Mut der Theatermacher, dieses nach wie vor tabuisierte und gerne „totgeschwiegene“ Thema „Suizid bei Jugendlichen“ aufzugreifen.

In ganz dichter Atmosphäre gewähren die beiden Darsteller unfassbar tiefe Einblicke in das Innenleben, die „verletzten Seelen“ dieser beiden Charaktere. Gespenstische Ruhe im Saal, vereinzelt unpassendes Gelächter der Zuschauer, wohl aus Unsicherheit oder Überforderung mit dieser heiklen Thematik. Eine skurrile Achterbahn der Gefühle. Das Stück zelebriert jeden Moment, die letzten Stunden, die letzten Minuten, jeder Augenblick wird ungeheuer intensiv durchlebt, gefühlt bis zum … Der Schluss bleibt durch das Löschen des Lichts indes offen, die Fantasie der Zuschauer bekommt „Flügel“. Es bleibt die Frage: Was ist mutiger, zu leben oder freiwillig in den Tod zu gehen? Es braucht ganz schön viel Mut zu leben, in unserer doch so „heilen“ Wohlstands- und Konsumgesellschaft, wo immer häufiger „Ellenbogen“ scheinbar wichtiger sind als Umarmungen und Gier wichtiger als Demut … Das Leben ist schön !?!

Emmendinger Tor, 04.10.2012