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Traumhaft perfekt, liebevoll inszeniert und überzeugend gespielt

Gelungene Premiere von „Lippels Traum“ des Kindertheaters im Steinbruch / Junge Akteure wirbeln teilweise wie Akrobaten über den Bühnenboden

Traum und Wirklichkeit – besonders im Theater – liegen nicht weit voneinander entfernt. Traumhaft perfekt, dazu liebevoll gespielt und inszeniert, verlief die Premiere beim Theater im Steinbruch. Das Kinderstück „Lippels Traum“ von Paul Maar lässt für zwei Stunden sämtliche Wirklichkeit vergessen. Zudem haben die Erwachsenen genau soviel Freude an dem turbulenten Geschehen wie die jungen Theaterbesucher.

Regisseurin Simone Allweyer und die Regieassistentinnen Antje Herdrich und Ruth Schilling haben an alles gedacht. Besonders die fantasievoll und perfekt sitzenden Kostüme der kleinen und größeren Akteure erweckten den Eindruck von viel Professionalität. Herausragend an diesem Nachmittag war die Spielfreude der Kinder, die teilweise wie Akrobaten über den Bühnenboden wirbelten. Eine perfekte schauspielerische Leistung ohne jedes Wenn und Aber trug dazu bei, die kleinen und großen Akteure mit Szenenbeifall zu begleiten.

Dabei beginnt das Stück ganz realitätsnah. Scheinbar karrierebeflissene Eltern nehmen an einem Kongress in Wien teil und lassen den kleinen Lippel (Johannes Wipfler) allein zu Hause. Bei der Auswahl des Kindermädchens hatten die Eltern kein besonders glückliches Händchen. Sie engagierten als Kinderfrau eine herzlose preußisch wirkende, überkorrekte Zuchtmeisterin (Simone Bruder). Sie verkörperte in ihrer Doppelrolle ein wahrhaft böses Weib. Was bleibt dem für eine Woche alleingelassenen Hauptdarsteller übrig, als in die Märchenwelt des fernen Orients zu entfliehen. Hier beginnt die abenteuerliche schauspielerische Gratwanderung zwischen Hausaufgaben und seinen Erlebnissen mit orientalischen Prinzenpaaren (Juliana Bachert und Raphael Hartmann). Drei stilvoll gekleidete Erzähler (Michael Bach, Jonathan Vöhringer und Alexandra Wipfler) sorgen dafür, dass Realität und Traumwelt nicht ganz miteinander verschmelzen. Erfreulich, dieses Trio bei seiner Chronistenpflicht zu beobachten. Durch ihre Musik- und Gesangsbeiträge lag irgendwie der Hauch eines Musicals in der Luft.

Wie der kleine Lippel seine Abenteuer im fernen Orient bewältigte, bedeutete nicht nur für Kinder ein Erlebnis. Fein versteckte ironische Bemerkungen im Text, meist mit Anleihen aus der Erwachsenenwelt, scheinen ein Markenzeichen von Simone Allweyer zu sein. So leuchten beispielsweise nach dem Zauberspruch „Aku Mulator“ die Zauberlampen auf. Listig und sympathisch erobert der kleine Lippel die Herzen von Kalifen und Herbergseltern (Ruth Schilling und Gottfried Groener). Der Kampf zwischen Gut und Böse wurde hier farbenprächtig ausgetragen. Es scheint so, als tauchten die Kinder in einen Spielrausch. Bauchtanz, Schlachtgetümmel, Flucht und die Freundschaft zu seinen neuen türkischen Schulkameraden, alles setzten die Regisseurinnen mit perfekter Choreografie in bewundernswerter Leichtigkeit um. Wie sich alles dann zum Guten wendet, sollte jeder selbst in Erfahrung bringen, schließlich stehen noch neun Aufführungen auf dem Spielplan.

Badische Zeitung, 28.06.2005

Lippel, der Meisterträumer

Im Theater im Steinbruch in Emmendingen spielen 30 Kinder und Jugendliche ein Stück von Paul Maar

Träumst du nachts manchmal auch so doll, dass du am Morgen gar nicht mehr weißt, was Traum ist und was Wirklichkeit? Hast du vielleicht auch schon mal einen Fortsetzungstraum gehabt, so einen, der jede Nacht ein Stückchen weitergeht?

Also, der zehnjährige Lippel ist ein wahrer Meisterträumer! Nacht für Nacht erlebt er mit den Königskindern Arslan und Hamide die wildesten Abenteuer und am nächsten Morgen sitzen seine zwei türkischen Freunde ganz harmlos neben ihm in der Schule und können sich an nichts mehr erinnern. Sehr verwirrend, findet Lippel. Noch dazu sind die drei jede Nacht im fernen Morgenland! So nannte man früher den Orient. Das sind die Länder, die von Europa aus gesehen in Richtung Sonnenaufgang liegen, zum Beispiel die arabische Halbinsel. Und weil dort so tolle Geschichten wie „Aladin und die Wunderlampe“ oder „Ali Baba und die vierzig Räuber“ spielen, hat Lippel mächtig was zu träumen…

Der berühmte Kinderbuchautor Paul Maar hat über Lippels nächtliche Abenteuer ein Buch geschrieben. Das ist so spannend geworden, dass er dafür viele Preise bekam. Und weil er sich die Wüstenverfolgungsjagd, den dicken Sultan und die zickige Frau Jakob mit ihrem Putzfimmel so gut vorstellen konnte, schrieb er gleich noch das Theaterstück dazu.

Diesen Sommer kannst du es im Steinbruch in Emmendingen sehen, mit dreißig Kindern und Jugendlichen auf der Bühne. Die meisten sind schon richtig alte Theaterhasen. Der zwölfjährige Johannes spielt den Lippel und hat einen langen, gestreiften Schlafanzug an. Schließlich liegt er ja die meiste Zeit träumend im Bett, und im Morgenland fällt er dann mit seinem glänzenden Pyjama nicht weiter auf. Seit Februar proben Johannes und seine Freunde das Stück mit der Regisseurin Simone Allweyer, kurz vor der Premiere sogar täglich.

„Das ist zwar anstrengend, aber viel aufregender als ins Freibad zu gehen!“, findet Juliana, die im Stück die orientalische Prinzessin Hamide ist und ein wunderschönes Glitzerkleid trägt. Aber wie kann man bitte einen Traum spielen? Und wie einen Sandsturm? Auf der Freiluftbühne im Steinbruch ist links Lippels Wohnzimmer mit Regal, Tisch und Stühlen. Auf der rechten Seite erhebt sich ein wunderschöner, orientalischer Wüstenpalast mit Zwiebeltürmen und Rundbögen. Und genau in der Mitte steht Lippels großes Bett. Natürlich muss man bei einem Theaterstück vieles von der Buchvorlage weglassen, sonst wird die Geschichte zu lang und zu kompliziert. So fehlt hier der Hund Muck und das Klassenzimmer besteht nur aus einer Reihe Klappstühle. Um trotzdem alle wichtigen Dinge zu erzählen, gibt es drei witzige Musiker, die mit ihren Liedern durch die Geschichte führen. Die ist dann zwar ein bisschen anders, aber genauso aufregend wie im Buch! Wie Lippel auf dem Basar eine große Zaubershow mit seiner Taschenlampe veranstaltet und damit am Ende den Wächtern des Sultans entkommt, musst du dir unbedingt selbst ansehen!

Badische Zeitung, 25.06.2005

„Der Applaus ist ganz toll“

BZ-INTERWIEV mit dem ältesten und jüngsten Darsteller des Kinderstücks „Lippels Traum

Am Sonntag hat das Theater im Steinbruch Premiere mit seinem Kinderstück, „Lippels Traum“ von Paul Maar. Sylvia-Karina Jahn sprach mit der jüngsten und dem ältesten Jugendschauspieler, Amelie Wegner (6) und Jonathan Vöhringer (17).

BZ: Wie lange spielt ihr schon Theater?
Amelie: Ich spiele das erste Jahr mit.
Jonathan: Seit sieben Jahren, soweit ich weiß. Aber ich kann mich nicht mehr an alle Stücke erinnern.
BZ: Wie seid ihr zum Theaterspielen gekommen?
Amelie: Mein großer Bruder spielt schon seit vier Jahren mit, da wollte ich es auch mal ausprobieren.
Jonathan: Ich war damals im Kinderhort, und eine Erzieherin meinte, ob ich nicht Lust hätte, Theater zu spielen. Erst habe ich mich ein bisschen geziert, aber dann bin ich doch dabei geblieben.
BZ: Theater spielen macht aber auch eine ganze Menge Arbeit, ihr müsst beispielsweise eure Rollen lernen, viel proben – warum bleibt man da bei der Stange?
Jonathan: Es ist ein Hobby, das Spaß macht. Es macht viel Spaß, vor den Leuten zu stehen, und der Applaus am Schluss ist ganz toll. Das Schöne: Es ist immer wieder etwas Besonderes, keine Routine.
Amelie: Es ist einfach schön, es macht Spaß, und ich habe viele neue Kinder kennen gelernt. Und ich muss ganz viel singen, fast alle Lieder!
BZ: Welches war eure schönste Rolle?
Jonathan: Das waren eigentlich zwei Rollen, das kleine Gespenst und der Blechmann. Beim Blechmann fand ich es toll, dass er irgendwie schnulzig, wie mit einer rosa Brille, durch die Welt tappt. Und das Gespenst hat Spaß gemacht, weil es eine fetzige Rolle war, sehr lebendig.
Amelie: Ich spiele Schülerin und Zuschauerin.
BZ: Was habt ihr für Pläne für die Zukunft – spielt da das Theater eine Rolle?
Jonathan: Jetzt will ich erst mal mein Abitur machen, also werde ich sicher noch zwei Jahre beim Theater im Steinbruch spielen, solange ich hier wohne. Wie es dann im Studium wird, weiß ich noch nicht. Meine Berufspläne hat das Theaterspielen nicht beeinflusst, obwohl ich mal eine Zeitlang Tontechniker werden wollte. Aber ich denke, es ist in jeder Lebenssituation gut, Theater spielen zu können.

Badische Zeitung, 24.06.2005

Realität und Kinderträume

Das Kindertheater am Steinbruch inszeniert „Lippels Traum“ von Paul Maar mit 30 jungen Akteuren

„Ab jetzt sitzt der Text“, steht fett gedruckt über dem Probenplan für Juni beim Kinderstück des Theaters am Steinbruch. Das klingt nach strengen Sitten, zumal keiner unentschuldigt bei den Proben fehlen darf und die Kinder sich um ihre Requisiten selbst kümmern müssen – genau wie die Großen. Doch wer einmal in die Proben hineinhört, der merkt schnell: Hier haben alle eine Menge Spaß. Und wenn wirklich mal ein Stückchen Text fehlt, dann heißt es ganz locker „Improvisiert doch einfach!“

Nein, die Textbeherrschung ist nicht das Problem beim Kindertheater, lächelt Regisseurin Simone Allweyer – die ist (pst, nicht schreiben!) meist besser als bei den Großen. Dann hapert es schon eher mal an der Lautstärke. Die meisten Kinderstimmen haben es nicht einfach auf einem Freilichtgelände, auch wenn sich die jungen Darsteller alle Mühe geben. Doch Verstärkung gibt es nur von sechs Erwachsenen, die dann auch Erwachsenenrollen spielen. Denn in „Lippels Traum“ von Paul Maar, das das Theaterteam in diesem Jahr ausgesucht hat, spielen die Kinder die Hauptrolle. Vor allem Lippel (Johannes Wipfler) und seine neuen türkischen Freunde Hamidé (Juliana Bachert) und Arslan (Raphael Hartmann).

Warum gerade „Lippels Traum“ inszeniert wird? „Ich bin Paul-Maar-Fan“, verrät Simone Allweyer. Zudem bietet das Stück mit Schülern, Dienern, Marktvolk, Soldaten und Zuschauern viele Rollen; immerhin spielen 35 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 17 Jahren mit. Der besondere Reiz dieses Stückes macht auch die Schwierigkeit der Inszenierung aus: Es spielt parallel in der Realität und in Lippels Traumwelt. Das auf der Bühne ohne Vorhang, ohne „Black“ zu vermitteln, ist eine Herausforderung. Die, so viel sei schon verraten, mit viel Schwung und exaktem Timing bewältigt wird.

Seit Februar wird geprobt, erst Leseproben, dann Stellproben im Pfarrsaal St. Bonifatius. Auf dem Gelände des Theaters war es anfangs schwierig, weil die laufenden Bauarbeiten dazu zwangen, die ersten Übungen im Garten abzuhalten. Doch inzwischen hat auch ein Probenwochenende auf dem Gelände stattgefunden und der Rasen, der hier die Welt bedeutet, ist den Schauspielern völlig vertraut.

Noch ist die Regie nicht ganz zufrieden. Wo gibt es, bitte, eine Schulklasse, die vor dem Erscheinen der Lehrerin still wird? Auf der Bühne kann das schon mal passieren, hier wird die Schule ja „nur“ gespielt. Aber sie soll echt wirken, also: „Labert einfach weiter, alles, was euch einfällt, ist erlaubt – nur keine Schimpfwörter“, ermutigt Simone Allweyer die kleine Schar zum munteren Gequassel.

Langeweile kommt bestimmt nicht auf. Dass jeder seinen Stuhl mitbringt, weil ja alles auf offener Bühne entsteht, ist schon selbstverständlich. Zudem gibt es tausend Kleinigkeiten zu beachten, vom orientalischen Kopfputz, der perfekt sitzen muss, bis zur Kette, die nicht getragen werden sollte. Und wenn mal ein Schauspieler fehlt, wird um den leeren Stuhl des Königs herum improvisiert und seine Sätze kommen aus der Regie. Gar nicht so einfach, dann der Aufforderung zu folgen: „Nicht lächeln dabei, das ist nicht lustig, ihr wollt doch Gnade!“

Mit dem Feilen an jedem Auftritt ist die Arbeit noch lange nicht getan: Zum Aufräumen sind alle eingeladen, gern auch die Eltern der jungen Schauspieler. Wenn die Requisiten noch nicht so sind, wie sie sein sollen, packt auch die Regisseurin mit an: „Den Stein mal’ ich dann noch an“, erklärt sie. Und schon jetzt steht fest: Das Team kriegt zur Premiere alles hin.

Badische Zeitung, 22.05.2005