Presse
Punsch aller Pünsche
Winterstück des Theaters im Steinbruch passt in die Zeit
Angesichts des kalten Januartages war die Wahl, das Winterstück des Theater im Steinbruch auf die Majabühne verlegt zu haben, sehr vorausschauend. Die Vorstellung am vergangenen Samstag war und ist wie alle weiteren sechs noch folgenden ausverkauft. Interesse weckte das Stück „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende von jung bis alt und bildet den Auftakt zu „100 Jahren Amatateurtheater“ in Emmendingen.
Nicht nur bei der Nennung des Wunschpunsches bekommt man gefühlt einen Knoten auf der Zunge. Auch andere Zauberformeln und Verhexungen hatten es in sich und erforderten viel Probenarbeit im Vorfeld, damit sie flüssig und leicht von den Lippen der acht Schauspieler flossen. Sowohl musikalisch als auch lichttechnisch wurde das Stück ideenreich untermalt, ganz besonders wenn ein Zauberspruch die Welt ihrem Untergang näherbringen sollte.
Denn dazu haben sich die Wissenschaft in Person des Zauberers Prof. Dr. Beelzebub Irrwitzer (Franziska Bosch) und das Finanzwesen in Person der Geldhexe und Tante Tyrannja Vamperl (Etienne Pfundheller) zusammengetan. Um Ihr Vertrags-soll mit der Ausrottung von Tierarten, dem Vergiften von Flüssen und der Veränderung des Klimas zu erfüllen, bleibt ihnen am Silvestertag nur noch wenige Stunden Zeit, wie der Höllengerichtsvollzieher Maledictus Mada (Barbara Seyfarth) unmissverständlich klar macht. Ihr einziger Ausweg ist der unaussprechliche Wunschpunsch, den sie gezwungenermaßen gemeinsam brauen.
Einzige Hoffnung für die Erde sind die beiden Spione des Rats der Tiere: der mutige Kater Maurizio di Mauro (Laura Hösl) und der „Unglücksrabe“ Jakob Krakel (Michel Köllermann), die alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Wirkung des Punsches ins Gute zu wandeln. Ein großes Lob verdienen dabei die Maskenbildner, die ihre Figuren wunderbar geformt haben. Und ebenso die schauspielerische Leistung aller Darsteller unter der Regie von Simone Allweyer, die nicht nur auf der kleinen Bühne umgesetzt wurde. Sie wurden am Ende mit viel Applaus und stehenden Ovationen vom begeisterten Publikum belohnt.
Emmendinger Tor, 17.01.2024
Die Geldhexe und der Laborzauberer
Immer wieder Szenenapplaus, Mitklatschen bei den verrückten Tänzen auf der Bühne – die Premiere des „Satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunschs“ des Theaters im Steinbruch reißt das Publikum mit. Völlig zu Recht.
Unter der Regie von Simone Allweyer ist es eine rundum gelungene Aufführung geworden. Im Theatersaal der Cinemaja an der Steinstraße duftet es nach Popcorn, doch auf der Bühne herrscht Dezember- oder vielmehr Silvesterfieber. Der geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzer (Franziska Bosch) hat nämlich sein Soll an üblen Taten für das zu Ende gehende Jahr nicht erfüllt. Das macht ihm Kummer: Richtig panisch reagiert Franziska Bosch auf den Besuch von Maledictus Made (Barbara Seyfarth), dem fies-höllischen Gerichtsvollzieher, da könnte man direkt Mitleid kriegen. Dass Beelzebub die Jahre vorher mehr als nötig getan hat – vergiss es! Dass er unter erschwerten Bedingungen arbeitet, weil er einen Spion im Haus hat? Egal: Wenn er bis Mitternacht nicht liefert, wird er gepfändet.
Beelzebubs Tante Tyrannja (ein ebenso böswilliger und intriganter wie schön affektierter Etienne Pfundheller) hat die gleichen Probleme mit ihrem Soll an Schandtaten, und so tun sich die Geldhexe und der Laborzauberer erneut zusammen: „Dann wird’s finster auf der Welt“. Denn beider Aufgaben bedeuten nichts Gutes für Mensch und Tier. Weshalb der Rat der Tiere beiden je einen Spion auf den Hals gehetzt hat. Beelzebub hat den seinen erfolgreich eingewickelt, gut gefüttert und ruhig gestellt – Laura Hösl gibt ganz den lieben Kater, der seinen Meister verehrt. Zu Anfang jedenfalls. Aber Tyrannjas Aufpasser, der Raben Jakob Krakel, öffnet dem naiv-vertrauensvollen Kater die Augen: Michel Köllermann spielt sehr lebendig und gekonnt wechselnd zwischen Frechheit und Resignation, man würde ihm seine Ausreden glatt abnehmen. Herrlich, wie sich die beiden Tiere erst anfeinden, dann anfreunden und anfeuern, mal ist der eine der Angsthase, mal der andere.
Ganz offen sind sie ja nicht, aber sie wollen die Welt retten. Auf dem Kirchturm schrecken sie den Heiligen Silvester auf (Barbara Seyfarth), der in seiner eigenen Welt lebt und sich nur mühsam davon überzeugen lässt, ihnen ganz gegen alle Regeln zu helfen. Aber er tut’s und verleiht ihnen Schallgeschwindigkeit, damit sie rechtzeitig vor Mitternacht zurück sind. Nur dann können sie den Wunschpunsch „umdrehen“. Das wird richtig dramatisch!
Denn Beelzebub und seine Tante haben sich zusammengerauft. Gemeinsam mixen sie den Wunschpunsch, sie singen voller (Vor)-freude nach den Klängen der Ode an die Freude ihren CO2-Song von Unsinn, Wahn- und Widersinn – einfach klasse. Mit Hilfe von LSD begeben sie sich in die vierte Dimension, um die letzten Anweisungen zu verstehen. Und dann geht’s los: Alle guten Wünsche, die sie aussprechen, verkehrt der Wunschpunsch ins Gegenteil – glauben die Beiden jedenfalls und wollen sich schier ausschütten vor hässlich-höhnisch-höllischen Gelächter.
Und weil jeder Wunsch ein geleertes Glas voraussetzt, torkeln sie bald schon über die Bühne; immer mühsamer wird ihre Aussprache. Etienne Pfundheller balanciert geschickt auf zierlichen Absätzen, Franziska Bosch funkelt das Publikum mit ihren verschiedenfarbenen Augen an – sie hatte die Idee mit gefärbten Kontaktlinsen. Die Mimik ist bei allen absolut sehenswert; nur die Zaubergehilfen (Emma Muser, Clemens Allweyer) treten völlig vermummt auf, dafür stocksteif und unheimlich. Dazu die gruseligen Ton- und Lichteffekte – eine schön böse Zauberwelt!
Schließlich wünschen Professor und Hexe dem zerrupften Raben Gesundheit und dem Kater Ruhm und Künstlerglück, was dessen kreischende Katzenmusik operettenreif verwandelt. Wie er da strahlt! Einander wünschen die Bösewichte Schlimmes: Jugend und Güte, sie wollen ein neues Leben anfangen. Dafür kommen Emma Muser und Jonathan Wied als junge Ausgaben der Beiden auf die Bühne. Da stimmt doch was nicht? Aber als sie das kapieren, ist es zu spät: Sie bringen keine Wünsche mehr heraus. Stattdessen schlägt’s Mitternacht, ein zufrieden seine Lippen leckender Maledictus Made bringt die Pfändungssiegel an und ruft die Seelenpacker zum Aufräumen.
Den Riesenapplaus für alle vor und hinter den Kulissen spendet das Publikum stehend. Ein toller Auftakt zu 100 Jahre Amateurtheatergeschichte in Emmendingen und für die nächsten 100 Jahre, wie Justin Wilper sagte. Im Sommer gibt’s „Don Camillo und Peppone“ und „Kleiner König Kalle Wirsch“.
Badische Zeitung, 16.01.2024
Zungenbrecher am Silvesterabend
Zauberer und Hexen haben es nicht immer leicht, wie es der „Wunschpunsch“ von Michael Ende zeigt. Den setzt das Emmendinger Theater im Steinbruch jetzt in Szene.
„Satanarchäolügenialkohöllisch“ – das muss man erst mal aussprechen können. Dem Team vom Theater im Steinbruch, das Michael Endes „Satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch“ als Winterstück probt, geht das flott über die Lippen. Dafür macht die Technik Zicken bei der ersten Durchlaufprobe für den „Wunschpunsch“. Eigentlich kein Wunder, bedenkt man, wie viel üble Zauberei die acht Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne bringen…
Seit Ende September laufen die Proben, erzählt Regisseurin Simone Allweyer; seit November ging es richtig zur Sache. Der kleine Zeitpuffer, den sie wie immer in die Probenpläne eingebaut hat, wurde diesmal voll aufgebraucht – weil im Team Corona ausgebrochen war, wurde danach fast täglich geprobt. Anfangs im Vereinsheim, seit Jahresanfang nun in der Cinemaja, was erst mal eine Umstellung bedeutete; auch und gerade für die Technik. Die ist dieses Mal besonders aufwändig. „Wir können ja drinnen keine Pyrotechnik verwenden, und das bedeutet, dass wir alle Effekte mit Licht und Ton transportieren“, so Allweyer. Auch Nebel geht nicht, der würde die Rauchmelder irritieren. Aber die Geräuschkulisse und die Lichteffekte sind beeindruckend. Der Hilferuf „Text“ kann einen Moment Probleme bereiten; zu dunkel, antwortet Regieassistentin Daniela Muser. Einen Vorhang gibt es ebenfalls nicht – das ist fast so wie im Steinbruchtheater.
Warum den „Wunschpunsch“? Ende hat das Stück 1988 geschrieben, aber das Thema – Wissenschaft und Wirtschaft wirken zum Schaden der Umwelt zusammen – sei aktuell und passe in die Zeit, sagt Allweyer. Außerdem seien ihr Mann und sie Michael-Ende-Fans, sie haben ihren Kindern gern die Bücher des 1995 verstorbenen Autors vorgelesen. Bei dieser Aufführung spielt auch bisschen Familiengeist mit: Clemens Allweyer hat eine kleine Rolle, Sohn Lorenz Allweyer trainiert die „Kämpfer“ Rabe und Kater. Dabei sind es diese beiden Geheimagenten des Rats der Tiere, die die Welt retten sollen – vor den Machenschaften des bösen Wissenschaftler Beelzebub Irrwitzer und dessen nicht minder fieser Tante, die Geldhexe Tyrannja Vamperl. Die beiden sind im echten Leben Tochter und Vater, den Beelzebub spielt Franziska Bosch und die Hexe Etienne Pfundheller.
Und sie stehen am Silvestertag mächtig unter Druck, haben sie doch ihr Soll an bösen Taten nicht erfüllt: keine zehn Tierarten ausgerottet, keine fünf Flüsse vergiftet, keine neue Seuche in die Welt gesetzt… Vor der höllischen Rache kann sie nur noch der Wunschpunsch retten, den sie wohl oder übel gemeinsam herstellen müssen. Doch auch Kater und Rabe raufen sich zusammen. Die Tiere fungieren als Sympathieträger gerade für die Kinder im Publikum – dunkle Gestalten hat es auf der Bühne schließlich genug.
All das ist in dieser Inszenierung verpackt in jede Menge Witz. „Wir wollten keinen erhobenen Zeigefinger, sondern es ist uns wichtig, die Leute zu unterhalten“, sagt Simone Allweyer dazu. Die Musik arbeitet mit klassischen Elementen, macht Anleihen bei Ludwig van Beethoven, Richard Wagner, Carl Zeller und sogar beim Musical Mary Poppins. Das Kinderstück mit Erwachsenen zu spielen, hat die Regisseurin besonders gereizt. Allweyer freut sich über ihr stark motiviertes Ensemble, und auch die beiden Techniker „waren zu allen Schandtaten bereit“ – von zusätzlichen Strahlern bis hin zum Kirchturm auf der Bühne, spielt doch der mitternächtliche Glockenschlag eine entscheidende Rolle. Und das Auge für Details, das hier jeder mitbringt.
Badische Zeitung, 10.01.2024