Dem Teufel das Lachen entrissen

Timm Thaler: In atemberaubendem Tempo schaffen es 26 junge Schauspieler, den Figuren ein beeindruckendes Profil zu verleihen.

Der 1962 erschienene Buchklassiker „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ von James Krüss ist auch heute noch Kindern wohlbekannt. Die Inszenierung am Theater im Steinbruch besorgte die begnadete Regisseurin Simone Allweyer. Am Sonntag war die Uraufführung mit einem äußerst spielfreudigen Team von jungen Schauspielern, die ihre Figuren gekonnt zum Leben erwecken. Fazit: Wo man mit seinen Freunden lachen kann, hat der Teufel seine Macht verloren.

Wer träumt nicht davon Geld zu haben, soviel man will ? Das kann einen schon als sehnlichsten Wunsch verfolgen, wenn man in einem Alter ist, von dem Erwachsene annehmen, man könne sich vor kindlicher Sorglosigkeit kaum fassen. Timm Thaler (großartig der erst 14-jährige Cornelis Huber) aber hat Sorgen, Geldsorgen und andere auch. Er ist Waise, nun muss Timm bei seinem verwöhnten Stiefbruder Erwin (Nicolai Jessen) und seiner Stiefmutter (Svenja Mutschler) leben. Die ist nicht einmal böse, sondern nur eine überkandidelte Schlampe, die das Haushaltsgeld für Kuchenorgien verschwendet. Wenn dann ein geheimnisvoller Baron namens L. Lefuet (Pascal Jessen), einem anbietet, für die so klein erscheinende Gabe des bezaubernden Lachens ein steinreicher Mensch zu werden – da muss ein Junge wie Timm Thaler einschlagen. Und gewinnt fortan jede Wette. Doch darüber, so will es der Vertrag, kann er leider nicht mehr lachen.

Diese Aufführung hat sich inhaltlich nicht allzu weit vom Roman entfernt und versucht, mit der Geschichte Kapitalismuskritik zu verbinden. Das heißt zunächst, dass der Glanz von Grandhotel und Pferderennbahn mit den Bildern der Armut geschnitten wird, aus der Timm Thaler kommt. Zugleich wird die offen zur Schau gestellte Gier nach Reichtum gezeigt, wenn der unheimliche und dämonische Baron immer auf der Jagd nach guten Geschäften um die Welt jettet. Vor allem aber betont er, deutlicher noch als Krüss, dass es eben nicht damit getan ist, wenn jener Lefuet dem Jungen sein Lachen abschwatzt. Was bei Timm jungenhaft und niedlich ist, wirkt bei Lefuet sadistisch und gemein.

Das ist sehr gekonnt geschauspielert, was Intelligenz und Tücke angeht: Er protzt mit allem, was er hat, er lacht am lautesten aus Schadenfreude. Man kennt solche Gestalten, man durchschaut sie, und indem Regisseurin Allweyer gerade diese Dimension so betont, erzählt sie davon, was unsere Zeit von der Entstehungszeit des Romans unterscheidet. Besonders listig müssen sich Lefuets Gegenspieler nun nicht mehr anstellen, um dem Teufel das Lachen zu entreißen oder die hübschen Augen, die er Karoline Kreschimir (Luisa Nübling) abgeschwatzt hat. Am Ende sitzt der Baron Lefuet vernichtet auf der Bühne und Timms Freund Jonny (Lukas Kadlec) stellt fest: „Stinkreich, aber ein armer Teufel.“

Übrigens, diese Aufführung löst Krüss‘ Anagramm nicht auf. Die wahre Identität des Barons Lefuet, nämlich der Teufel persönlich zu sein, wird nur angedeutet. Wunderbar, wie heldenhaft Timm Thaler gespielt wird, der zum reichen jungen Erben avanciert ist. Er hat in Baron L. Lefuet einen aalglatten diabolischen Gegenspieler und in Jonny einen zupackenden Helfer. Das Ehepaar Rickert (Nico Brill und Lena Haye), weitere Freunde von Timm, näseln echt hanseatisch. In atemberaubendem Tempo schaffen es die 26 jungen Schauspieler, sämtliche der weiteren etwa 58 Rollen zu übernehmen und den Figuren ein beeindruckendes Profil zu verleihen. Faszinierend ist die Wandelbarkeit des Bühnenbilds.

Zauberhafte Szenen werden gezeigt. „Schwan kleb an“ ist die Puppengeschichte von der Prinzessin, die nicht lacht, und bei der der Koch, Küchenjunge, Küchenmagd, Wachsoldat und Zofe, Hofnarr, König und Vagabund am Ende doch die Prinzessin zum Lachen bringen. Großartig, Timms doofer Stiefbruder Erwin, der mit seiner Gang Max, Paula, Tanja, Jenny und Julchen „Reich, reich, reich wie ‘n Scheich“ rappt.

Das knapp zwei Stunden dauernde Bühnenstück erzählt eine äußerst spannende Geschichte. Die Regisseurin hat ein paar aktuelle Anmerkungen in den Text einfließen lassen, Anspielungen etwa auf den Irak, in dem des Barons geheimnisvolles Land Mesopotamien liegt, und auf die Kriegsgewinnler, die mit Waffenverkäufen ihr Unwesen treiben. Das passt gut in die heutige Welt, in der auch „Zahlen, nicht Gefühle regieren“.

„Och, das war’s jetzt?“, fragt ein Mädchen in die Stille nach dem großen donnernden Applaus hinein. Es konnte getröstet werden, denn es gibt ja weitere Aufführungen.