Presse

Hahnenkämpfe und Zickenkrieg

VOR DER PREMIERE: Die Schauspieler des Theaters im Steinbruch gehen völlig in ihren Rollen für den „Sommernachtstraum“ auf.

„Wir sind ja flexibel,“ sagt Regisseurin Simone Allweyer lächelnd, wenn man sie auf die Folgen der Sanierungsarbeiten im Steinbruch anspricht. Das Naturtheater profitiert von der einmaligen Kulisse des ehemaligen Steinbruchs, doch der war durch lose Steine eine potenzielle Gefahr für Akteure wie Zuschauer. Die Stadt hat den Steinbruch für knappe 150 000 Euro befestigen lassen. Das hatte Auswirkungen auf den Theaterbetrieb. Doch keine Sorge: Bei der Premiere am Samstag ist alles vergessen! Seit Februar bereiten sich die Amateurschauspieler auf Shakespeares „Sommernachtstraum“ vor. Ein bisschen gestresst wirkt die Regisseurin schon. So konnte das Bühnenbild erst gebaut werden, nachdem Bagger und Hebekran im Mai abgezogen waren. Und die Bühne ist durch eine neue Sicherheitszone unterhalb der Wand nicht nur kleiner, sie war auch für längere Zeit im hinteren Bereich nicht nutzbar; mit Auswirkungen auf den Feinschliff bei den Proben. Dazu sieht Simone Allweyer ein weiteres Problem: „Bei einem Klassiker wie dem Sommernachtstraum besteht die Gefahr, dass angesichts der poetische Sprache zu viel deklamiert und zu wenig gespielt wird.“

Schon ein kleiner Einblick in die Proben zeigt: Die Gefahr ist definitiv gebannt! Auf der Bühne ist so viel Action und Wirbel, Hahnenkämpfe und Zickenkrieg werden höchst handgreiflich in Szene gesetzt, und nein gleich zwei quirlige Pucks hüpfen über die Bühne und ergänzen einander perfekt. Das ist ein hübscher Gag, der choreografisch so gut umgesetzt wird, dass einem künftig „Sommernachtsträume“ mit einem Puck langweilig vorkommen dürften. Simone Allweyer ist selbst ganz hin und weg von Einsatz und Ideen ihrer 22 Darsteller zwischen 19 und 68 Jahren. Zu Recht – die Wirkung ist schon ohne Beleuchtungseffekte umwerfend! Dazu die vielen Geister des Waldes… auch neben der Hauptszene gibt es immer was zu sehen.

Doch nicht nur die Darsteller gehen ganz in ihren Rollen auf. Die Regisseurin lebt die Probe förmlich mit, spiegelt die Bewegungen der Hauptdarsteller auf dem Rasen. Und sie spricht oft leise den Text mit, den Clemens Allweyer, ihr Mann und im Stück der Oberon, ins Deutsche übertragen hat.
Außerdem hat sie das Stück in die nahe Zukunft verlegt: Wir haben etwa 2030, Griechenland ist in Stadtstaaten zerfallen und Theseus Fürst von Athen. Moderne Musikuntermalung, viel Rauch und witzige Einfälle peppen das alte und doch zeitlose Stück weiter auf. Etwa, wenn die Paare dank dämonenhafter Kräfte schier aussichtslos verkracht sind und eine freundliche Navistimme sagt: „Sie befinden sich in einer Sackgasse…“

Angefangen hat das Team mit zweimal wöchentlich je zwei Stunden Spielertraining, Rollenarbeit und Leseproben; und es gab ein Probenwochenende im März mit erster großes Stellprobe. Seither wurde dreimal wöchentlich geprobt und im Juni ist nur der Samstag frei. Das summiert sich auf 163 Probenstunden; die private Arbeit am Text ist da ebenso wenig mitgerechnet wie die Zeit der Technik oder der Kostümschneiderin, die am Rande des Geschehens jede Minute fürs Nähen und Ändern und Anpassen nutzt. Pausen sind kaum drin. Wenn Gunter Hauß als Demetrius einen fürchterlichen Hustenanfall bekommt, weil das Holzfeuer die Luft so „reizend“ macht, besorgt die Regisseurin einfach ein Glas Wasser. „Das sollte bei der Vorstellung nicht passieren“, sagt Hauß. „Oder du musst es überspielen“, meint sie. Und schon geht’s weiter, immer mal unterbrochen von kleinen Verbesserungsvorschlägen, die später die Nuance von der guten zur mitreißenden Aufführung bedeuten. Der Stift von Regieassistentin Anna Kiprianidou-Hornung fliegt nur so übers Papier und auch die (Bau-)Technik kriegt noch Anweisungen. „Gib mir ein bisschen mehr Angst“, fordert derweil Simone Allweyer von Franziska Pfundheller alias Helena. Und „schreien, schreien!“ heißt die Devise im Kampf der Schönen.

Auch weil es so viel sehenswerten Klamauk gibt, stehen die Schauspieler unter Zeitdruck. Bis 22 Uhr muss die Probe gelaufen sein, erzählt Allweyer, lärmschutzbedingt; das Theater im Steinbruch hat da die gleichen Probleme wie der Nachbar Kino. Die letzten Proben in dieser Woche dürfen aber bis 23 Uhr dauern. Und das Publikum sich auf einen zauberhaft-überraschenden Abend freuen.

Badische Zeitung, 26.06.2013

Erfrischender Sommernachtstraum in traumhafter Naturkulisse

Premiere beim Theater im Steinbruch in Emmendingen

Emmendingen hat „seinen“ Sommernachtstraum“! Viel Beifall der über 250 Premierenbesucher beim „Theater im Steinbruch“, das sich heute Abend erneut als beeindruckende Naturkulisse erwies, die durch bemerkenswerte Lichteffekte eindrucksvoll das Geschehen auf der Spielfläche begeleitet.

Die Inszenierung überrascht, hat viel Esprit, überraschende Gags und verlangt von den Akteuren neben der anspruchsvollen Interpretation ihrer Rollen zum Teil auch sportlich Anforderungen.

Diesen „Sommernachtstraum“ in zum Schluss herbstlicher Atmosphäre zu erleben machte Spaß und lässt vergessen, dass hier eine lokale Amateurtruppe „versucht“ Theater zu spielen. Ein Ensemble, das hohen Ansprüchen gerecht wird und das in der Regio in dieser Spielzeit sicher sein Theaterpublikum finden wird.

Zum Stück:
Shakespeares Sommernachtstraum ist eine Komödie um die Macht der Liebe, die wie eine Naturgewalt über den Menschen hereinbricht, kaum zu kontrollieren, aber anfällig für Manipulationen. Zu Beginn des Stücks spielt die Natur verrückt. Die mächtigen Naturgeister Oberon und Titania tragen einen Ehezwist miteinander aus. Damit nicht genug. In einem Wald bei Athen wirbelt Puck, Oberons koboldhafter Diener, mit Hilfe des Zaubersafts der Blume „Liebestoll“ Titanias Gefühlsleben ebenso durcheinander wie das der vier jungen Athener Hermia, Helena, Lysander und Demetrius. Die vom Liebessaft benebelte Titania verliebt sich in ein wunderliches Geschöpf, halb Mensch, halb Esel. Bei den vier jungen Athenern wiederum wechseln in rascher Folge Liebeswahn und Liebesfrust. Immer wieder treffen, verfolgen und trennen sie sich im nächtlichen Wald.

Erst als Oberon und Puck dem zauberhaften Spuk ein Ende bereiten, finden Titania und auch die Athener wieder zu sich selbst. Letztere kehren in die Stadt zurück zur Hochzeit ihres Fürsten Theseus mit der Amazone Hippolyta. Dieses Hochzeitsfest erlebt mit der Theateraufführung einer Athener Handwerkergruppe noch einen fulminanten Höhepunkt, eine Lachnummer allererster Güte. Bis heute gilt Shakespeares Stück als der unterhaltsamste und vergnüglichste Alptraum der Theaterliteratur.

Regio Trends, 29.06.2013

Liebe zum Detail

Das Theater im Steinbruch inszeniert Shakespeares „Sommernachtstraum“

Wer die Liebes- und Elfenkomödie von Shakespeare im Theater im Steinbruch sah, verstand das Versprechen des Titels: Traum einer Sommernacht. Die Götter spielen mit den Sterblichen Schabernack und treiben mit ihren Gefühlen ein schadenfrohes Spiel. Dem Ensemble unter Regie von Simone Allweyer gelang es, mit einem sinnlich, erotisch, mystisch und humorvoll inszenierten Bühnenwerk ein zartes Gespinst nächtlicher Phantasien zu schaffen.

Die 22 Darsteller wirbeln auf der Freiluftbühne durch den geheimnisvollen Kulissenwald herum, als wollten sie den Text in alle Ecken rufen. Im Hintergrund sind Scheinwerferlichtungen, ein Stück Palasttraum ist auf einer Anhöhe zu sehen, und rechts im Reich Titanias und der Waldgeister ist ein riesiges Spinnennetz aufgebaut – Ideenreichtum und Liebe zum Detail prägen die Inszenierung von Anfang bis Ende.

Clemens Allweyer, der Mann der Regisseurin, agiert in der Figur des Oberon als unheilvoller Strippenzieher. An seiner Seite die beiden schelmischen Pucks – von Simone Bruder und Stephanie Pleuler eindrucksvoll und mit Mut zur Hässlichkeit gespielt. Oberon will Helena eigentlich nur helfen; aus Übermut versemmeln seine Pucks dabei so einiges.

Lysander versucht, Hermia zu verführen: „Die Stelle böte doch auch Platz für zwei, ein Herz, ein Bett, zwei Busen und derlei.“ Die verliebte Hermia bekommt gerade noch die Kurve „Oh nein, Lysander, sei so gut mein Schatz, lass bitte zwischen uns genügend Platz“. Beide spielen ein Paar unserer Zeit – leicht arrogant und unterkühlt.

Die räumliche Trennung führt dann aber zu einem bösen Streich der hinterlistigen Pucks: Die jungen Paare Hermia und Lysander (Jasmin Baumgratz; Michael Schäfer), Helena und Demetrius (Franziska Pfundheller; Gunter Hauß) taumeln durch die Irrungen von Anziehung und Abstoßung, Liebe und Hass und beeindruckenden Kampfszenen (Choreographie: Jonathan Vöhringer), bis die schlafenden Paare nach vielen Wirrungen zum Liebesturteln erwachen.

Theseus wundert sich „Mehr seltsam schien mir alles dies als wahr. Bei Liebenden und Irren kocht das Hirn. Verrückte, Liebende und Dichtervolk, die leben völlig in der Einbildung“. Um das herumtappende Liebesvolk wieder zusammenzutrommeln, lässt die Regie Titanias muntere Waldgeister mit glänzendem Motorradhelm, giftgrüner Perücke und Flügeln durchs imaginäre Gestrüpp ziehen. In einer Szene liegt Zettel, der Webermeister mit dem Eselskopf, verhext am Boden und versteht die Welt nicht mehr. Titania säuselt ihm zu „Ich liebe dich, bin so in dich vernarrt“ – und die Regie lässt keinen Zweifel daran, was die verknallte Elfenkönigin mit dem in einen Esel verwandelten Handwerker vorhat.

In einer burlesken Szene proben die Handwerksgesellen ein Possenspiel von Pyramus und Thisbe, das sie zur Hochzeit ihres Fürsten Theseus aufführen wollen. „Diese Laterne ist im Stück der Mond. Ich spiel‘ die Frau im Mond, die dort auch wohnt“, sagt die Witwe. Kesselflicker Schnauz spielt die Wand. Mit den Fingern deutet er den Spalt an, durch den Thisbe und ihr Pyramus ganz heimlich Liebesgrüße tauschen. Nicht nur Fürst Theseus mit seiner Hochzeitsgesellschaft, auch das Premierenpublikum amüsiert sich prächtig. „Das grobschlächtige Stück verkürzte gut den Lauf der Nacht“, lobt der Fürst die Schauspieltruppe.

Elfenkönig Oberon schließt seine wieder gewonnene Gemahlin Titania in die Arme und zieht mit den Pucks ab. „Stellt euch vor, es war im Schlaf, was euch an Visionen traf. Was ihr saht, das war doch kaum mehr wert als ein dummer Traum. Nun gut’ Nacht, es ist vorbei.“ Sogar Hippolyta, die Verlobte von Theseus, ist perplex „Der Bericht von dieser Nacht scheint mehr erlebt als pure Fantasie. Und dennoch seltsam, aber wunderbar.“

Das fanden auch die etwa 250 begeisterten Zuschauer, denn wenn nach mehr als zwei Stunden der Spuk im Elfenwald sich auflöst und die Liebespaare versöhnt Hochzeit feiern, müssen diese – wenn auch widerstrebend – aus dem Reich der Illusion in die Realität zurückkehren. Das Stück vom „schönem Wahn“ und Einbildungskraft ist auch ohne Vorbereitung gut verständlich. Um echtes Shakespeare-Gefühl zu erzeugen, übernahm Clemens Allweyer den Originalrythmus der englischen Verse in Deutsche.

Badische Zeitung, 01.07.2013

Der süße Purpur-Blumensaft

Theater im Steinbruch feierte die Premiere des „Sommernachtstraums“

Der zweite Gong ertönt. Das Bühnenlicht erlischt. Auf der Tribüne warten 250 Besucher gebannt. Der Spot geht an. Ein Athener Palast ist zu sehen. Davor liegen umgekippte Blumenkübel, kaputte Skulpturen und ein Regenschirm. Es scheint, als habe sich gerade ein Unwetter ereignet. Musik erklingt. Die Dienstmädchen räumen flugs auf. Dann erscheinen Theseus (Roland Seidl) und Hippolyta (Christina Menner). Beide sprechen über ihre geplante Hochzeit. Noch nicht ganz klar sind die Zukunftsplanungen von Lysander (Michael Schäfer) und Hermia (Jasmin Baumgratz). Sie lieben sich zwar, doch Hermias Mutter hätte lieber Demetrius (Gunter Hauß) als künftigen Gatten. Demetrius wiederum wird von Helena (Franzi Pfundheller) geliebt.

Lysander und Hermia flüchten in den Wald. Auch Demetrius und Helena folgen. Im Wald erleben sie den Sommernachtstraum. Im Auftrag des Elfenkönigs Oberon (Clemens Allweyer) werden sie vom Waldgeschöpf Puck (Simone Bruder und Stephanie Pleuler) mit dem „süßen Purpur-Blumensaft“ benetzt. Dieser Saft ist zu vergleichen mit dem Pfeil des Amors („Was du siehst, wenn du erwachst, dich zu deinem Liebenden macht“). Eine chaotische Orgie aus Liebeswahn, Leidenschaft, Eifersucht und Hass beginnt. Ständig wird sich neu verliebt. Als der Zauber aufgehoben wird, finden alle zu ihrer wahren Liebe zurück („Liebe wird instand gesetzt“). Schließlich wird dreimal geheiratet.

Mit der Inszenierung des Shakespeare-Klassikers „Ein Sommernachtstraum“ (1596) machte das Theater im Steinbruch einen weiteren Schritt nach vorne. Im Gegensatz zum letztjährigen Sommerstück „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“, bei dem die Rollen sich zuspitzten, begeisterte die 23-köpfige-Besetzung diesmal im Kollektiv. Dies lag einerseits am Stück an sich, andererseits auch an der Interpretation der Rollen. Die zarte und leidvolle Helena, die emanzipiert energische Hermia, der „obercoole“ Lysander mit Handy, der orientierungslos tollpatschige Demetrius mit einem Navigationsgerät oder das Elfenkönigspaar Titania und Oberon mit Emo-Klamotten – allesamt wurden sie auf ihre Weise interpretiert und ergaben dennoch ein Ganzes. Auch ein Verdienst von Regisseurin Simone Allweyer.

Herausnehmen darf man den Puck. Zweifach besetzt erhöhte sich die Prägnanz dieses wunderlichen Geschöpfes. Mit „siamesischem“ Verständnis gelang es Simone Bruder und Stephanie Pleuler, gesprochene Sprache und körperlichen Ausdruck zu vereinen. Auf diese Weise brachten sie viel Bewegung und Leben ins Stück. Eine schauspielerisch großartige Leistung – im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib geschneidert.

Auf höchstem Niveau bewegte sich die Sprache. Im Vorfeld hatte Clemens Allweyer das Stück neu übersetzt. Darin hielt er an der Reimform fest. Verbunden mit teils moderner Sprache entstand so eine mitreißende Mischung aus Pathos und Wortwitz. „Den Mann erkennst du schnell, er ist getaucht in athenischen Flanell“, lautete einer der Verse. Neben dem individuellen Skript und den schauspielerischen Leistungen hat auch die Technik einen Sprung gemacht. Zum Ausdruck kam dies in den Musikeinspielungen („Dreams, sweet dreams for me“) oder in den Effekten wie beim finalen Schwarzlicht.

Bei der Premiere am Freitag floss es vor allem im ersten Durchgang. Man wurde eins mit der  Aufführung. Das Steinbruch-Ambiente trug seinen Teil zur traumhaften Kulisse bei. Kritisch betrachtet werden muss die Laienschauspielgruppe, die das „Stück im Stück“ spielte. Durch die derben Akzente wurde der wunderschöne Pathos unterbrochen. Als Komödie könnte dies durchaus gewollt sein. Im zweiten Durchgang zog sich die Aufführungsszene bei der Hochzeit jedenfalls zu lange hin. Anyway: Die Zuschauer lachten herzhaft. „Sie befinden sich in einer Sackgasse – bitte wenden!“, sagte Demetrius‘ Navi-Gerät zwischenzeitlich. Für den Weg, den das Steinbruch-Theater in den letzten Jahren einschlägt, kann dies nicht gelten. Zweifelsohne ist es das beste Stück, das man bisher erleben durfte. Wer Kultur gemacht von Emmendingern erleben will, der sollte diese Vorführung besuchen. Bis zum 10. August wird das Stück gezeigt. Weiter so!

Emmendinger Tor, 03.07.2013