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Warme Herzen und Wolldecken

Das Theater im Steinbruch feiert Premiere des Stücks „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“

Das Theater im Steinbruch am Samstagabend. Bei fünf Grad steht die Premiere des Winterstücks „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel an. Auf der Tribüne haben sich 200 Gäste in ihre Decken gekuschelt. Frieren müssen sie nicht – denn zu herzerwärmend ist die Inszenierung des Märchenfilms.

1973 war der Farbstreifen unter der Regie von Vaclav Vorlicek in der CSSR und der DDR produziert worden. Als Vorbild diente das „Aschenputtel“ der Gebrüder Grimm. Neben der Handlung sorgten vor allem die zierliche Hauptdarstellerin Libuse Safrankova und die grandiose Musik von Karel Svoboda dafür, dass der Film kurz darauf auch in der BRD einschlug. Getragen von Kindheitserinnerungen ist er heute noch fester Bestandteil des vorweihnachtlichen Fernsehprogramms.

An den vier Adventswochenenden bringt das Theater im Steinbruch den Märchenfilm achtmal als Schauspiel auf die Bühne. Die Regie haben erstmals Gunter Hauß und Andrea Gerhold. Gemeinsam mit ihrem 17-köpfigen und altersmäßig bunt durchgemischten Ensemble hatten sie bereits Ende September mit den Probenarbeiten begonnen. Was die Inszenierung anbelangt, so hielten sich Hauß und Gerhold weitgehend an die Vorlage von Uli Jäckle. Hier und da drückte das Paar dem Stück jedoch seinen eigenen Stempel auf.

Bei der Premiere am Samstag erlebten 200 Gäste das herzerwärmende Resultat. Zur Eröffnung zupft der treue Knecht Vincek (Justin Wilper) in Zeitlupentempo das musikalische Motiv auf der Gitarre. Davon getragen schwirren die herrschsüchtige Gutsherrin (Silvia Gschwendtner), das dümmlich arrogante Dorchen (Theresa Bähr) und das unschuldig freche Aschenbrödel (Helena Huber) durch das Haus und bereiten sich auf den Besuch des Königspaares (Jasmin Baumgratz und Etienne Pfundheller) vor. Hier und da werfen sie Vincek einen Kommentar zu. Als Zuschauer gleitet man auf zauberhaft sachte Weise hinein in dieses Stück und wird mit nur wenigen Wimpernschlägen zum Teil des Ganzen.

Auch im weiteren Verlauf fließt es schön. Dafür sorgen vor allem die clever arrangierten Wechsel. Über die Boxen erklingt dabei stets die Svoboda-Melodie – allerdings immer eingebettet in einen anderen Musikstil. In den Szenen selbst erlauben sich Hauß und Gerhold einige Kunstgriffe. Bei den beiden weißen Tauben handelt es sich um Handpuppen, die von zwei in schwarz gekleideten Akteuren (Rebecca Schneider und Lutz Konkol) bedient, bewegt, geflogen und gesprochen werden. Für Lacher sorgt außerdem der schrullig darstellte Lehrer (Johannes Wipfler), den dem lebenslustigen Prinzen (Michel Köllermann) das Regieren lehren will.

Künstlerisch anspruchsvoll ist die Waldszene, der Hauß und Gerhold zurecht viel Platz einräumen. Die Kulisse ist dabei in grünes Licht getaucht. Dazu ein bisschen Nebel. Sechs Schauspielerinnen, die sich als Bäume verkleidet langsam tänzelnd über den Kunstrasen bewegen, verleihen dem Wald mit ihren Blicken ein mystisches Eigenleben. Dazu erklingt das „Schuhu“ der Eule Rosalie (Simone Bockstahler). Berechnende Charaktere wie Dora und Augustin fühlen sich davon bedroht. Für Prinz und Aschenbrödel, die sich hier erstmals begegnen, gleicht der Wald eher einer romantischen Spielwiese. Weil die Szene nah an der Tribüne spielt, ist man als Zuschauer mittendrin.

Wie die Geschichte weitergeht, ist klar. Dem feierlich inszenierten Tanzabend folgt die Jagd des Prinzen auf das geflohene Aschenbrödel. Und nachdem der liegengebliebene Schuh endlich seinen passenden Fuß findet, darf geheiratet werden. Am Ende siegt als das Gute. Diesbezüglich bewies das Theater bei der Auswahl des Stücks ein feines Gespür. In diesen dramatischen Corona-Wochen tut ein vertrautes Werk mit Happy-End dann doch irgendwie gut. Natürlich wandelt das Stück immer wieder an der Kitsch-Grenze. Kurz vor Weihnachten, dem Fest der Hoffnung, darf das aber auch sein.

Den Gästen, die sich in Decken gehüllt hatten, jedenfalls gefiel es hörbar. Schon vor der Pause trampelten sie begeistert mit den Füßen – und dies nicht nur, um sich aufzuwärmen. „Zurzeit sind wir die einzige Freilichtbühne in Baden-Württemberg, die spielt“, stellte der Vorsitzende Hans-Joachim Wipfler klar. „Wir hoffen, dass wir bis zum vierten Advent weitermachen können“, hofft er. Bis dahin wird das Stück jeweils samstags und sonntags um 17:30 Uhr aufgeführt.

Emmendinger Tor, 01.12.2021

Eine mitreißende Premiere

Am Samstag begannen im Theater im Steinbruch die witzig gespielten Märchenaufführungen.

Ja, kalt war’s bei der Premiere „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Theater im Steinbruch am Samstagabend. Kein Wunder, gespielt wird unter freiem Himmel und geheizt ist dieses Theater nicht. Macht aber gar nichts, im Gegenteil: Dafür gibt’s viel frische Luft und ein liebevoll und witzig gespieltes Märchen, wie geschaffen als Auftakt zur Adventszeit.

„Wir sind die einzige Freilicht-Bühne Baden-Württembergs, die so was macht“, sagt Vorsitzender Hans-Joachim Wipfler stolz. „Die Schauspieler sind so verrückt nach ihrem Hobby….“ Und spielen, als gäbe es die Kälte nicht: Erst beim Schlussapplaus ahnt man, dass opulente Kostüme mit Brokat und Borten keine funktionelle Winterkleidung sind – egal, wie viel man drunter packt. Die Zuschauer haben es da besser, manche schaffen sich aus Decken, Mänteln und Schals einen kleinen Thron auf der Tribüne. Und sie genießen diesen Abend ganz offenkundig, bedanken sich lautstark und garantiert nicht nur, weil klatschen und stampfen schön wärmt: Der Applaus ist ehrlich – und verdient. „Trampeln zu Beginn der Pause gab es noch nie“, sagt Wipfler erfreut.

Einfach sind die Bedingungen nicht: Wegen Corona darf das Theater seine Tribüne nicht voll auslasten, statt 400 durften nur knapp 200 Gäste zur Premiere. Am Eingang werden Impf- und Testnachweis geprüft. Das geht flott, aber nicht jeder hatte es leicht, an den Test zu kommen. Wipfler versucht, bei den nächsten Vorstellungen eine Testmöglichkeit vor Ort zu bekommen. Es herrscht Maskenpflicht auf allen Wegen und auf den Plätzen; ist aber eigentlich angenehm, denn die Dinger halten das Gesicht warm − das kann man bei diesen Temperaturen (drei Grad plus zu Beginn, am Ende grade mal noch ein Grad) ebenso brauchen wie Bewegung und etwas Heißes in der Pause.

Dem Zauber tut das keinen Abbruch – eher im Gegenteil: Mal leuchtet der Steinbruch in Rot, mystisch grün wird es für den Tanz der Bäume, winterlich-kalt in Blau oder Grau und der Prinz und sein Lehrer landen, realistisch klappernd, auf der Suche nach der unbekannten Schönen im Schneesturm. Das Märchen kennt jeder und doch gibt es die vielen liebevollen Details, die die Aufführungen im Theater im Steinbruch ausmachen, das kleine Augenzwinkern, das ein wenig Distanz hineinpackt.

Die Schauspieler gehen in ihren Rollen auf, setzen eigene Akzente. Ob das Aschenbrödels Tauben sind, der betulich-dauerbesorgte Hansi (Lutz Konkol) und seine unternehmungslustige Claudette (Rebecca Schneider) oder der eifrige, förmliche Lehrer Augustin (Johannes Wipfler), der seinen „Priiinz“ auf die Thronfolge vorbereiten soll – nicht nur sie sorgen für Leichtigkeit und immer wieder für Lacher.

Doch der Prinz (Michel Köllermann) hat erst mal null Bock auf das Regieren, will lieber jagen als heiraten, bis er auf Aschenbrödel (selbstbewusst und fröhlich: Helena Huber) trifft. Ohne Diener Vinzek (Justin Wilper) ginge gar nichts (auch musikalisch nicht); König (Etienne Pfundheller), Königin (Jasmin Baumgratz), Stiefmutter (Silvia Gschwendtner) und Stieftochter (Theresa Bähr) sind (fast) so wie man sie sich vorstellt und doch den entscheidenden Tick anders. Tanzende Bäume, die – sehr wandlungsfähig − auch als Gesinde und Heiratswillige auftreten, runden eine mitreißende und rundum gelungene Premiere ab, die einfach Spaß gemacht hat – und die die Kälte vergessen lässt.

 

Badische Zeitung, 29.11.2021

Wenn die Zuschauer im Skioutfit zum Theater im Steinbruch kommen

Am Samstag ist Premiere für das Winterstück „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Theater im Steinbruch – die BZ-Autorin war bei einer der Proben auf der Emmendinger Naturbühne dabei.

Eigentlich probt das Theater im Steinbruch sein Winterstück „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ anderthalb Mal. Denn die Aufführung war bereits für Dezember 2020 vorgesehen, doch mit dem Corona-Lockdown im November 2020 kam das Aus. Nun also der zweite Anlauf: Am Samstag, 27. November soll Premiere sein – im Freien. Alle freuen sich, wieder auf der Bühne zu stehen.

Mit winterlichen Bedingungen hat das Theaterteam Erfahrung: Alle sind dick eingemummelt, auf den Bänken stehen Thermosflaschen, und es werden Tipps für warme Füße ausgetauscht. Vor drei Jahren stand im Advent Charles Dickens „Weihnachtsgeschichte“ auf dem Spielplan; die Freiluft-Premiere im Winter war sehr erfolgreich. Die Idee für weitere Stücke im Advent schwebte Regisseur Gunter Hauß schon damals vor, wie er erzählt – und auch die „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.

Zum einen bot sich das Stück mit seinen zahlreichen Außenszenen für die Freilichtbühne an; zum anderen ist der Märchenfilm für ihn ein Alljahresklassiker, und es reizte ihn, etwas Eigenes daraus zu machen. Die typische Musik von Karl Svoboda gehört dazu, in Arrangements von Justin Wilper, der als Knecht Vincek auch mit Instrumenten auf die Bühne kommt.

Aber das Textbuch von Uli Jäckle bricht ein klein wenig mit dem Bild vom Film, Hauß charakterisiert es als locker, frech und ironisch; es gebe die Möglichkeit, die Geschichte neu und losgelöst vom Film zu spielen. Ein weiterer Vorteil: „Es ist nicht besonders lang, konzentriert sich auf das Wesentliche. Es ist textlich nur etwa halb so lang wie die Sommerklassiker des Amateurtheaters.“ Gespielt wird etwa 75 Minuten, dazwischen gibt’s eine Pause, in der zum Aufwärmen heiße Getränke angeboten werden. Ansonsten empfiehlt sich alles, was die Zuschauer schon bei dem Dickens-Stück ausprobiert haben: „Manche kamen im Skioutfit, andere brachten sogar Schlafsäcke mit“, erinnert sich Hauß. Auch die Schauspieler ziehen an, was sie warm hält – und die Kostüme sind so konzipiert, dass drunter eine Menge Platz hat. Das ist nicht immer einfach, zur Not muss es ein hautfarbener Funktionsbody unterm Ballkleid tun. Zwischen den Auftritten warten hinter der Bühne warme Hüllen auf die Akteure. Das klassische Verlieren eines Schuhs zählt bei den Außentemperaturen dennoch zu den Herausforderungen.

Alle sind komplett geimpft, das Hygienekonzept steht. Die Proben wurden Ende September wieder aufgenommen, bauten auf den Grundlagen des Vorjahres auf. Allerdings sind Aschenbrödel Helena Huber und Königin Jasmin Baumgratz neu im Spiel – die Vorjahresbesetzung war verhindert.

Kurz vor der Premiere wird gefeilt, an Details, die scheinbar nebensächlich sind – und doch zum stimmigen Gesamtbild gehören. Die Bewegung des lebenden Waldes zur Musik etwa, der Tanz der Bäume, der noch etwas andauern soll. Und Aschenbrödel braucht mehr Zeit zum Umziehen. Ihren Ritt durch den Wald findet der Regisseur ebenfalls noch etwas zu schnell. Das „Pferd“ stammt aus Eigenbeständen, es war in andere Form schon mal beim Kinderstück Ritter Trenk im Einsatz und dient jetzt als Reittier.

Ach ja, die Requisiten: Die Zauber-Haselnüsse sind gehäkelt, verrät der Regisseur – weil sich da gut Magneten drin verstecken lassen; und sie müssen ja ein bisschen größer sein als die vom Baum, damit man sie von der Tribüne her gut sieht. Die Tauben werden durch Handpuppen dargestellt und als Taubendreck fungiert Sprühsahne.

Auch bei der Ausstattung geht es eben um Details. Um passende Haarbänder für die Bäume zum Beispiel und um Frisuren, die perfekt zu den Kostümen passen. „Ich sehe das Kostüm, die Person, und dann kann ich die Frisur dazu machen“, sagt Silvia Jessen. Die Regieassistentin, wie alle hier im Zwiebellook, kommt schwer bepackt zur Probe, sie hat sich mit Decken und Wärmekissen ausstaffiert – kalte Füße gibt’s bei grade mal sieben Grad und mehr als drei Stunden Probezeit trotzdem; wohl dem, der sich bewegen darf. Dem Spaß an der Sache kann das aber nichts anhaben: „Theater ist unser Leben“, sagt Jessen lachend.

Badische Zeitung, 22.11.2021