Presse

Theater im Steinbruch vor der Premiere von Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“

Momentan wird täglich geprobt

Es ist heiß, brütend heiß, und alle Kinder sind im Schwimmbad. Alle? Nein, ein kleines Häuflein von 31 Aufrechten von acht bis 22 Jahren tobt über die Bühne des Theaters im Steinbruch. Jetzt, wo es auf die Premiere der „Kleinen Hexe“ zugeht, sogar täglich. Sie stecken zum Teil in Kostümen, die dem kühlen Wetter der vergangenen Wochen angemessen waren, und sind doch super motiviert. Es liegt auch viel Arbeit vor der Hexenschar – und hinter ihnen die frisch sanierte Steinbruchwand, deren Kahlheit und gelbliche Farbe so tropisch wirken wie die Temperaturen. „Ha, ich kann den Text“, freut sich Benedikt Bachert. Das ist kein Wunder, denn der Regisseur des Kinderstücks hat nur Augen und Ohren für das Geschehen au der Bühne. Und er muss des öfteren einspringen, bei seinem Tempo kommt selbst die Souffleuse mal ins Stolpern. Was soll er auch machen, wenn der Reporter der hiesigen Tageszeitung vergisst, sich vorzustellen? Und später in der Hexenrolle die Reihenfolge der Hexen durcheinander bringt? „Für euch ist das ein Reaktionstraining“, nimmt er’s gelassen und das Spiel geht weiter, eifrig verfolgt von den Akteuren, die Pause haben.

„Die haben was übersprungen!“ ruft einer und hat Recht. Die böse Muhme Rumpumpel vermisst die Musik, die ihr den Zeitpunkt des Auftritts signalisiert. „Ich hab’ grade die Oberhexe bei mir stehen, deshalb könnt ihr noch nicht auftreten“, erklärt der Regisseur und macht Vorschläge für eine „bösere“ Frisur. Und der Reporter muss den Schriftzug am Tragegurt der Kamera wegdrehen; Schleichwerbung gibt’s hier nicht. Nebenbei kriegt der Bühnenbau Anweisungen – und eine humorvolle Rüge, als die kleine Hexe und ihr treuer Rabe Abraxas ein Säge auf dem Dach des schiefen Hexenhäuschens finden: „Liebes Bauteam, ich mag meine Kinder und würde sie gern noch ein bisschen behalten!“ Die Säge wird weggeräumt, und das Spiel geht weiter. Immer wieder lässt Bachert Passagen wiederholen, immer wieder schallt „Guten Morgen, bitte aufwachen“ über den Platz, auch mal in Richtung Technik.

Das passt aber zum Stück, denn schließlich wird die ganze Hexenschar ja erst in der Walpurgisnacht richtig munter. Was dann abgeht, sorgt richtig für Wirbel. Trotzdem ist der Regisseur noch nicht zufrieden. „Stop! Ihr seid keine Putzweiber“, ruft er und macht vor, wie er’s meint: „Wal-pur-gis-nacht“, Betonung und Drive bitte auf jeder Silbe, und „bewegt euch!“ Außerdem ist eine strenge Hierarchie einzuhalten: Wer was von der Oberhexe will, hat sich auf sie zuzubewegen und nicht umgekehrt. Kann man sich das alles merken? Die jungen Mitspieler können es, wenn auch noch in unterschiedlicher Ausprägung.

Moor- und Waldhexen haben’s gut, sie stehen auf der schattigen Seite der Bühne, Wind- und Moorhexen werden in der Sonne gebraten und müssen blinzeln. Bachert achtet darauf, dass alle genug trinken und mal aus der Glut kommen. Dennoch gilt: keine Müdigkeit vorschützen. „Ihr seid der Hexenrat, und ihr seid nur da, um die kleine Hexe fertigzumachen“, mahnt er. Also muss am Rande der Handlung kommentiert, getuschelt, verhöhnt werden. „Langsam sprechen, schnell agieren“ will auch gelernt sein. Bachert will hier mehr Tempo, da mehr Bewegung und dann mal leisen, fast zärtlichen Trost: Kaum zu glauben, was alles bedacht werden muss, damit bei der Premiere die Zuschauer ihren Spaß haben können.

Jemand bringt dem Regisseur ein Spaghettieis. Das findet er klasse – aber nur dank der Pause gelingt es ihm, die Leckerei zu verspeisen, bevor sie geschmolzen ist. Schließlich sind die Regieanweisungen wichtiger: „Lass dir Zeit, Lena“, rät er der kleinen Hexe – und dazu, jetzt mal richtig böse zu werden: „Du hast einen Heidenspaß dran, die anderen Hexen fertig zu machen!“ Kleine und große Zuschauer haben den sicher auch.

Badische Zeitung, 19.06.2013

Verhext und verzaubert

Hingerissen waren große und kleine Zuschauer von der Premiere der „Kleinen Hexe“ beim Theater im Steinbruch: eine absolut familientaugliche Aufführung!

Die Premiere am Sonntag im Theater im Steinbruch ging hervorragend und das Publikum war am Ende verhext und verzaubert. Gleich zu Beginn herrschte ein spannungsgeladenes Flair. Nicht nur die 33 jungen Darsteller waren aufgeregt, auch die jungen Zuschauer waren voller Vorfreude, während sich einige den Mund mit Gummibärchen vollstopften oder Eis schleckten. Die beiden Hauptdarsteller sind Sympathieträger, die bösen Hexen sind eher lustig als furchteinflößend. Und wenn sie ausgelassen auf dem Blocksberg Cancan tanzen, reißen sie die kleinen und großen Zuschauer mit, die munter mitklatschen. Die wilden Gestalten auf der Bühne mit Zottelhaaren, langen Nasen, bunt zusammengeflickten Gewändern schwingen ausgelassen die Beine. Ein ganzer Marktplatz und ein Schützenfest fanden Raum in der besonderen Freiluftkulisse. Herrlich anzuschauen sind die fantasievollen Kostüme von Karin Sulzberger und die Masken von Christina Menner. Philip Seidl und Michael Kraus ließen den nächtlichen Wald akustisch aufleben und mit jedem Geräusch stellte sich ein Bild im Kopf ein. Mit jedem Geräusch, mit jeder Stimme, die Regisseur Benedikt Bachert den Figuren verlieh, nahmen sie Gestalt an: Die Oberhexe, Wald-, Moor- Kräuter- und Windhexen, Maronimann, Billiger Jakob oder Bürgermeister. Diese Aufführung ist eine liebenswerte Erinnerung an die Märchenwelt und absolut familientauglich für Jung und Alt.

Die kleine Hexe (hervorragend Lena Haye) und der Rabe Abraxas (großartig Raphael Müller-Bütow) vom Kinderbuchautor Otfried Preußler, denn beide verbindet eine große Vertrautheit und enge Freundschaft. In einer Szene ist Rabe Abraxas besonders stolz auf seine Freundin und lobt sie „Die Hexerei mit den Blumen hat mir am allerbesten gefallen. Wäre der Rabenschnabel mir nicht im Wege – ich würde dir einen Kuss dafür geben“ Ihre kokette Antwort „Versuch’s doch mal!“ Sie klappt ihm den Schnabel hoch, bekommt einen Kuss und bedankt sich artig: „Danke, Abraxas.“

Dabei ist die kleine aufmüpfige Hexe zu gut für ihre Zunft, sie beweist zwar, dass sie das Pensum im Zauberbuch beherrscht. Lässt Reisig regnen, kuriert eine Grippe oder lässt ein heftiges Gewitter heranziehen. Immer in Absprache mit dem hinreißend krächzenden Raben, der in einer Szene die böse Forstautorität mit Himmelfixpaukenschwerenotbleiundhagel“ nachäfft. In einer der vielen zauberhaft gespielten Szenen hext sie für das arme Blumenmädchen duftende Papierblumen: „Ich schätze, es waren so an die tausend“. Der schlaue Rabe: „Das reicht nicht! Mindestens achthundertzehnundneunzig waren es. Hexe: „Hast du mitgezählt?“ Rabe: „Oder sechshundertzwölfundelfzigsiebzehn, vielleicht auch mehr.“ Rabe: „Und ihren Duft haben sie behalten?“ Hexe: „Den ganzen Winter lang.“

Der treue Abraxas würde sich eher die Flügel stutzen lassen als die Freundin im Stich zu lassen und den jungen Zuschauern ging es wohl ähnlich. Er mahnt und ermuntert, er tröstet und nörgelt und krächzt immer an ihrer Seite. Der sonst so weise Rabe hat die Oberhexe (imposant Johannes Wipfler) missverstanden. Die junge Kollegin, erst 127 Jahre alt, die unerlaubterweise mit auf den Blocksberg gekommen war, entdeckt wurde und nun bestraft werden muss, soll erst eine „gute Hexe“ werden, bevor sie im nächsten Jahr wieder vorstellig werden darf. Doch unter „gut“ verstehen Hexen etwas anderes als der schwarz gefiederte Vogel. Rumpumpel, der Muhme, (wunderbares Mienenspiel von Lorenz Allweyer) hat einiges gegen sie hervorzubringen. Denn die Aspirantin auf einen Sitz im Hexenrat hat ihre Zauberkenntnisse ein Jahr lang angewendet, um, angeleitet vom selbstbewussten Raben Abraxas, lauter gute Taten zu vollbringen. Die „Kleine“ macht ein weinendes Blumenmädchen reich, züchtigt einen sadistischen Förster, hilft armen Weiblein beim verbotenen Holzsammeln. In einem munteren Szenenreigen zeigen die jungen Schauspieler in dieser gekonnten Inszenierung unter der Leitung des jungen Schauspiel- und Regietalents Benedikt Bachert Spielfreude, Talent und Können. Und natürlich siegt am Ende das Gute, indem die kleine Hexe ziemlich viel Mut beweist, als sie nämlich dem ganzen Spuk der Oberhexe und der anderen bösen Damen ein überraschendes Ende setzt. 

Badische Zeitung, 25.06.2013

Was ist eigentlich eine gute Hexe?

Theater im Steinbruch: Erfolgreiche Kinderstück-Premiere

Darf eine gute Hexe eigentlich auch Gutes hexen oder soll sie nur gut darin sein, Böses zu hexen? Das ist hier die Gretchenfrage. Die kleine Hexe jedenfalls ist anders als die anderen Hexen. Trotzdem will sie im Konzert ihrer großen Artgenossen mitspielen und bei der Walpurgisnacht mit auf dem Blocksberg herumfliegen. Am Sonntag feierte das „Theater im Steinbruch“ die erfolgreiche Premiere des bekannten Kinderstückes von Otfried Preußler vor ausverkauftem Haus. Rund 400 begeisterte Gäste, darunter natürlich auch viele Kinder, bildeten bei angenehmen sommerlichen Temperaturen eine im besten Wortsinne beeindruckende Kulisse.

Doch nun zurück zum Stück. Dass der Hexenrat eine etwas andere Auffassung von „guter Arbeit“ hat, wird der kleinen Hexe erst zu spät bewusst. Ein Jahr lang hat sie armen Menschen geholfen, Bösewichte bestraft, Tiere gerettet oder neue Freunde gefunden. Doch alles umsonst. Bei der Walpurgisnacht der großen Hexen darf sie nicht mitmachen und soll zudem noch bestraft werden. Das ist einfach zu viel. Jetzt zeigt sie, was wirklich in ihr steckt, indem sie den großen Hexen „das Hexen abhext“, deren Zauberbücher und Besen herbeizaubert und diese dann bei ihrer ganz privaten Walpurgisnacht verbrennt.

Ein Stoff, der für ein Kindertheaterstück geradezu prädestiniert ist. Das 1957 erschienene Kinderbuch von Otfried Preußler wurde 1958 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet und inzwischen in 47 Sprachen übersetzt. Regisseur Benedikt Bachert (22), der selbst lange im Kinderstück mitgespielt hat und derzeit in Freiburg eine Ausbildung zum Schauspieler macht, ist mit dem Kinder- und Jugendklassiker eine hervorragende Inszenierung gelungen. 33 Darsteller im Alter von acht bis 20 Jahren, allen voran natürlich die Hauptdarsteller Lena Haye als „kleine Hexe“ und Raphael Müller-Bütow als deren bester Freund „Rabe Abraxas“ sowie Lorenz Allweyer als launige und eigenwillige „Muhme Rumpumpel“ begeisterten mit großer Spielfreude, viel Talent und Bühnenpräsenz. Klar, dass beim „Fallen des Vorhangs“ in der idyllischen Freilichtbühne der Beifall des frenetischen Publikums kein Halten mehr kannte. Auch der Dank des Vereinsvorsitzenden Hans-Joachim Wipfler war den Darstellern und allen anderen Beteiligten gewiss. Und schon am nächsten Sonntag um 16 Uhr geht’s weiter mit der nächsten Vorstellung.

Emmendinger Tor, 26.06.2013