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Wie der Entenmann zu Maurice Chevalier wird

BZ-INTERVIEW mit Michael Bach, der für die Komödie „Dame von Maxim“ die passende Musik geschrieben und arrangiert hat.

Am Samstag, 5. Juli, hat die „Dame vom Maxim“ im Theater im Steinbruch Premiere, eine Komödie von Georges Feydeau. In der Freilicht-Version wird viel gesungen und getanzt. Musik, Texte und Arrangements stammen von Michael Bach; Sylvia-Karina Jahn sprach mit dem Emmendinger Musiker, der in dem Stück auch selbst auftritt – als Maurice Chevalier.

BZ: Herr Bach, viele kennen Sie als den Entenmann, von Ihren Hörspielen um die kleine Teichente für Kinder, die Ihnen diesen Spitznamen verpasst haben. Mögen Sie den noch?

Bach: Ich hab’ nicht unbedingt was dagegen, möchte aber nicht auf den Entenmann reduziert werden. Aber ich glaube, die Gefahr besteht auch nicht.

BZ: In der „Dame vom Maxim“ spielen Sie ja eine ganz andere Rolle, die des Charmeurs par excellence. Aber wie kommt Maurice Chevalier in das Stück? Georges Feydeau hat ihn nicht ’reingeschrieben, aber Sie wollten das gern, hat mir der Autor der Bühnenfassung, Clemens Allweyer, verraten…

Bach: Das geht auf einen Kunstgriff zurück, den wir früher immer bei den Kinderstücken angewandt haben; die habe ich ja zuerst betreut. Wir haben eine Möglichkeit gesucht, wie ich als Live-Musiker ohne Sprechrolle auftreten könnte. Bei Peter Pan war ich beispielsweise der Rahmenerzähler, der erklärt, über der Handlung steht und einfach da ist. Wir haben das Feydeau-Stück ohnehin aus der Belle Epoque in die 20er-Jahre verlegt; es ist eine Zeit, mit der viele Leute etwas anfangen können, und man kann mehr mit Requisiten machen. Maurice Chevalier war in den 20er-Jahren schon bekannt – und so sagte ich, ich bin Maurice Chevalier.

BZ: Es gibt ein Bild vom jungen Chevalier, da sieht er Ihnen nicht ganz unähnlich…

Bach: Na ja, da habe ich ein bisschen getunt: Ich war gerade beim Friseur und habe eine neue Frisur mit Scheitel und Pomade; das ist eins zu eins gelungen.

BZ: Aus Feydeaus Salonkomödie haben Sie eine Art Mini-Musical gemacht?

Bach: Das geschieht in einer tollen Zusammenarbeit mit Simone Allweyer, der Regisseurin. Wir haben einen ähnlichen Humor, mögen ähnliche Stücke und ähnliche Musik. Daher kann ich mir immer gut vorstellen, was sie will, und sie ist mit der Grundidee immer zufrieden. So entwickelt sich das weiter und im Endprodukt gibt es dann viel mehr Musik als angedacht – aber das ist auch gut so.

BZ: Wie haben Sie die Stücke ausgesucht, wo holen Sie die Ideen her?

Bach: Charles Aznavour hat mich inspiriert, ich habe Chevalier, Edith Piaf und die Musette-Klassiker gehört, habe mich richtig in den harmonischen Swing der 20er-Jahre eingegroovt und bin gut fündig geworden. Da gibt es viel Bekanntes und Beliebtes, das einen hohen Wiedererkennungswert hat. Ein bisschen Augenzwinkern darf auch sein: So haben wir eine Abba-Nummer dabei – die sind auch nicht mehr ganz taufrisch, also nach dem Motto „aus alt mach noch älter“.

BZ: Sie haben die komplette musikalische Leitung, arbeiten also auch mit den Sängerinnen. Ist das nicht sehr schwierig? Amateurschauspiel ist die eine Sache, Singen vor Publikum nochmal eine ganz andere…

Bach: Alle sind sehr talentiert und hoch motiviert – da ist niemand dabei, der tontaub ist! Wir haben ein festes Quartett von vier Damen, das mit einer Mini-Ouvertüre auf das Stück einstimmt und sich wie ein roter Faden hindurchzieht. Unsere Hauptdarstellerin hat eine langjährige Ausbildung als Sängerin. Die anderen – insgesamt sind es sechs – haben Gesangserfahrung aus Chören oder das Singen ist ihnen vom Beruf her nicht fremd.

BZ: Was ist für Sie der musikalische Höhepunkt?

Bach: Das ist schwer, es wechselt auch im Lauf der Proben, nach Tagesform und Laune. Und es kommt vor, dass ein Sorgenkind-Stück schließlich den Durchbruch schafft.

Badische Zeitung, 28.06.2014

Sommermusical unter freiem Himmel

Die temporeiche Komödie „Die Dame vom Maxim“ hat am Samstag im Theater im Steinbruch Premiere – ein Probenbesuch

„Diese Übertreibung, die ihr jetzt habt, die müsst ihr beibehalten – die ganze Zeit!“ Regisseurin Simone Allweyer ist anspruchsvoll. Kein Wunder, sie hat nur noch eine Probe bis zur Premiere der „Dame vom Maxim“ im Theater im Steinbruch. Die Komödie von Georges Feydeau spielte in Pariser Salons der Jahrhundertwende – Allweyers Version der aberwitzigen, temporeichen Verwechslungsgeschichte macht ein kleines Sommermusical unter freiem Himmel daraus. Was bei den Aufführungen spritzig-leicht und flott daherkommen soll, erfordert erst mal harte Arbeit, und das seit November; da begann das Theatertraining. Im Februar wurden die Rollen verteilt und die Schauspieler haben passende „Ticks“ für ihre Bühnenidentität entwickelt und eine Biografie dazu. Seit dem Probenwochenende im März steht das alles, seither wurde dreimal pro Woche geprobt – seit Anfang Juni beinahe täglich!

Die Regisseurin flitzt über den Rasen, zeigt dem Freund des Hauses, wie er den Vorhang zuhalten oder sich auf der Couch lümmeln soll. „Lutz, du musst ganz gechillt sein – dein Freund kriegt eins auf die Hucke und du guckst zu, das ist doch schön!“ ruft sie oder fordert ihn auf, der schönen Tänzerin „hinterherzugeiern“, die dem biederen Arzt da so unverhofft ins Haus geschneit kam.

Mit ihrer plastischen Sprache oder der schlichten Demonstration dessen, was sein soll, erreicht sie schnell das gewünschte Ziel. Oder sie erinnert an den Hintergrund einer Szene: „Warum gehst du rüber?“ fragt sie Jasmin Baumgratz, die die Tänzerin spielt. „Damit ich mich ihm nochmals zeige“, antwortet die und damit ist auch klar, dass sich das gut sichtbar abspielen muss und wird. Sichthindernisse, seien es nun andere Schauspieler oder der skurrile Ekstasestuhl, müssen von den Schauspielern umgangen werden. „Ihr müsst lauter sprechen“, das ist ein Daueranliegen der Regisseurin. Denn hinein in das „Geschwafel“ klingt ja die Musik. Überhaupt, die Musik – die ist bei dieser Probe der Hauptgrund dafür, dass Szenen erneut gespielt werden müssen. „Ich muss gucken, ob die Musik passt, die ich ausgesucht habe“, sagt Allweyer. Einsatz, Anschlüsse, Rhythmus – das alles muss eben nicht nur bei den Schauspielern stimmen. Musik untermalt, veranschaulicht, ja schafft die Emotionen, die sich da auf der Bühne entladen. Daran feilt Allweyer nun. „Das ist falsch, die Musik kann nicht stimmen – nie im Leben so was Ruhiges an der Stelle!“ ruft sie und „stopp, ich würde es gern von Anfang an nochmals haben!“

Tempo heißt die Devise auf der Bühne – obwohl wenn das Stück verspricht, in das alte Paris zu entführen, in eine Zeit vor dem Rauchverbot auf Toiletten und ohne Handys! Clemens Allweyer hat das Stück neu aus dem Französischen übersetzt und von allen Längen befreit, seine Frau kürzt in der Regie noch diese oder jene Szene. An einer anderen Stelle braucht sie dafür länger; aus den Umbauszenen hat Tanzpädagogin Sabine Noll ein kleines Ballett gemacht. Dann muss auch die Musik länger laufen. Das ist noch vergleichsweise einfach, wenn Michael Bach als Maurice Chevalier mit dem Akkordeon die Regie auf der Bühne übernimmt. Der nickt auf so eine Forderung der Chefin einfach nur: ist gebongt. Bach hat die Musik selbst arrangiert und passgenau auf das Stück zugeschnitten.

Aber das mit den Übertreibungen – das muss noch besser werden, lässt Simone Allweyer die Regieassistentin Sonja vermerken. Vor allem beim General. Den spielt Clemens Allweyer. Aber es sind ja noch fünf Proben. Und es sieht so aus, als sollten die Zuschauer mindestens so viel Spaß haben wie die Pariser seinerzeit bei der Uraufführung 1899. Das Stück kam so gut an, dass es binnen zwei Jahren 600 Mal gespielt wurde.

Badische Zeitung, 04.07.2014

„Wie kommen Sie in mein Bett?“

Rund 350 begeisterte Zuschauer bei der Premiere der „Dame vom Maxim“ im Theater im Steinbruch

Die Aufführung der „Dame vom Maxim“ im Theater im Steinbruch unter Regie von Simone Allweyer spielt gegenüber dem Original in den Zwanziger Jahren. Dafür unterstreicht ihre hervorragende Inszenierung mit dem Aufkommen von Tango und Charleston sowie der neuen, anrüchigeren Mode, selbstverständlich aus Paris, den Willen zum Ausbruch aus dem engen Korsett der bürgerlichen Gesellschaft. Die bleibt aber in ihren Grenzen verhaftet, die durch die heillosen Verstrickungen brüchig werden. Rund 350 Zuschauer waren von dem mitreißenden Theaterstück restlos begeistert, denn es gab viel zu lachen. Die Dame vom Maxim, eine Komödie von Georges Feydeau (1862-1921), ist eine doppelbödige Gesellschaftssatire, die dem neuen Bürgertum den Spiegel vorhält. Sie entlarvt mit der überaus gelungenen Verwechslungskomik und dem komisch-frivolen Wortwitz die Doppelmoral dieser nach außen sich bieder gebenden Gesellschaft.

Es beginnt alles nach einer durchzechten Nacht. Der Arzt Lucien Petypon, wunderbar gespielt von Michael Schäfer, wacht unter einem umgeworfenen Canapé mit einem ordentlichen Kater auf. Der Tag ist schon weit fortgeschritten: „Ein bisschen vom Tag ist noch übrig.“ Petypon versucht sich an die Nacht zu erinnern und zusammen mit seinem Arztkollegen Mongicourt (vortrefflich Lutz Konkol) das Zimmer wieder in den normalen Zustand zu bringen. Ehefrau Madame Gabrielle Petypon, gekonnt bürgerlich-bieder gespielt von Barbara Seyfarth, kommt ins Zimmer und die beiden Ärzte versuchen mit allerlei Ausflüchten die Situation zu retten und kaschieren. Der recht nervöse Petypon bittet um eine Tasse Kräutertee mit Zitrone. Gabrielle erfüllt ihm die Bitte und bedankt sich für den Kuss in letzter Nacht, was bei ihm ein Staunen hinterlässt.

In der folgenden Szene aber entdeckt Petypon eine andere Frau in seinem Bett. „Wie kommen Sie in meinem Bett?“, fragt er fast schon ernüchtert. Aus dem Bett steigt die Tänzerin des Maxim, Crevette. Jasmin Baumgratz füllt diese Rolle mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz. „Sie haben wohl einen hinter die Binde gekippt?“ erfasst sie die Situation sofort. Und sie weist ihn auch daraufhin, dass er sie in der Nacht geküsst hat. Es bleibt Petypon nur eine Möglichkeit, sie zu verstecken. Damit beginnt das Lügenkonstrukt, in das sich Petypon immer mehr verheddert. Mit viel Glück und spirituellen Erscheinungen kann er sich vorerst retten, da Gabrielle von solchen Erscheinungen überzeugt ist. Und das nützen Petypon, Crevette und Mongicourt weidlich aus. Doch wird die Situation noch viel komplizierter, als General de Grêlé (wunderbar gespielt von Clemens Allweyer) auftaucht und Petypon und Crevette zusammen entdeckt. Der General ist der Onkel von Petypon und hält die Dame vom Maxim für dessen Frau. Petypon versucht es erst zu verneinen, fügt sich aber dann in sein Schicksal. Dummerweise lädt der General Petypon und „Frau“ zu einer Verlobungsfeier in der Provinz ein. Petypon entschließt sich dort hinzufahren. Crevette ist dabei und auch Gabrielle …

So folgt eine haarsträubende Szene der nächsten mit viel Wortwitz und viel Lust auf Ausschweifungen. Wie es sich für eine turbulente Komödie gehört, sind die Charaktere überzeichnet. Dennoch sind die Rollen ohne jede Spur von Overacting glaubwürdig und halten wegen der Doppelmoral auch dem Publikum den Spiegel vor die Augen.

Die einzelnen Szenen gehen trotz Umbaus nahtlos ineinander über. Dafür sorgt auch die Musik der Zwanziger Jahre. Michael Bach ist für die musikalische Leitung verantwortlich und tritt als Maurice Chevalier auf, der die musikalischen Akzente setzt, aber nicht in das Spielgeschehen eingreift. Neben der fesselnden Darbietung des ganzen Theaterensembles gibt es noch Musik, Tanz und einen ominösen, elektrifizierten Stuhl zu bewundern, ein Requisit, das der Komödie einen weiteren Farbtupfer aufsetzt.

Badische Zeitung, 07.07.2014