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Beim Üben hilft sogar ein Besenstiel

BZ-INTERVIEW mit Jonathan Vöhringer: Damit die Fechtszenen im „Mann in der eisernen Maske“ sitzen, ist viel Probenarbeit nötig.

„Der Mann in der eisernen Maske“, das Abendstück des Theaters im Steinbruch, enthält als Mantel- und Degenstück etliche Fechtszenen. Einstudiert hat sie Jonathan Vöhringer (23), der im „Zivilberuf“ an der Albert-Ludwig-Universität Deutsch und Anglistik fürs Lehramt studiert. Sylvia-Karina Jahn sprach mit ihm.

BZ: Fechtszenen sind meist spektakulär, aber im Theater sicher sehr schwierig: Es soll ja echt aussehen, aber verletzen darf sich niemand. Wie erreichen Sie das?

Vöhringer: Das ist gewährleistet, weil man nicht normal ficht; wenn jemand das freie Fechten gewöhnt ist, müssen Sie ihm das erst mal abgewöhnen. Man arbeitet „off distance“, erreicht also den Körper des Gegners nicht, und die Schläge zielen am Körper vorbei. Beim Bühnenfechten hat übrigens der Angreifende die Verantwortung, die Distanz zu halten.

BZ: Woher können Sie das – haben Sie selbst mal gefochten?

Vöhringer: Ich bin seit Jahren in einer Schaukampfgruppe, dem „Bunten Haufen Freiburg“. Ich habe mein zehntes Bühnenjahr im Theater im Steinbruch, hatte mal pausiert und mich nach was anderem umgeschaut; ein Interesse fürs Mittelalter hatte ich schon immer. Außerdem habe ich an Workshops der Vereinigung Stage Combat, also Bühnenfechten, teilgenommen, die über die BASSC zertifiziert sind; das ist die British Academy of Stage and Screen Combat.

BZ: An welche Spielregeln müssen sich Ihre Protagonisten halten?

Vöhringer: Es gibt drei redundante Systeme; wenn eines nicht funktioniert, tun es immer noch die anderen. Da ist zunächst der Abstand, den der Angreifer einhalten muss. Dann ist die Schlag- und Stichtechnik anders als bei normalen Waffen, wir schlagen nicht auf den Kopf und nicht nach oben; das ist der häufigste Anfängerfehler. Schließlich die Abfolge: Wenn diese drei Dinge „richtig“ sind, ist das Spiel sicher.

BZ: Wie lange dauert es, spektakuläre Fechtszenen einzustudieren? Wie viel Training müssen Ihre Schüler investieren?

Vöhringer: Das ist sehr unterschiedlich, je nach Begabung. Wer tanzt, ist im Vorteil, wer einen Kampfsport ausübt, ist ein zweischneidiges Schwert, weil diese Leute eine gute Körperbeherrschung haben, aber auf Körperkontakt aus sind. Wir haben im November angefangen und proben seit Januar mindestens einmal pro Woche die Choreographie. Und ich habe empfohlen, dass jeder zu Hause den Ablauf mit einem Besenstiel und mit geschlossenen Augen für sich probt; das haben, glaube ich, alle getan. Für ein Duell braucht es neben Geschick mindestens eineinhalb Monate à zwei Wochenstunden, da muss die Choreographie sitzen; bei Massenszenen wirkt ja neben dem Timing noch die Anzahl der Leute, die sich prügeln.

BZ: Sie sprechen davon, dass so ein Kampf choreographiert wird – für mich klingt das eher nach Ballett. Wo liegen die Berührungspunkte? Ich stelle mir Kampftraining völlig anders vor…

Vöhringer: Ich finde, ein Schaukampf, eigentlich jeder Kampf mit dem Degen, hat viel vom Tanzen, es entstehen gewisse Rhythmen, die Schritte werden gespiegelt, denn man muss sich auf den Partner (wir sagen nicht Gegner) einstellen; das ist wie beim Walzer und hat viel mit Tanz zu tun. Nur fehlt beim Tanz die Aggression. Aber geschickte Tänzer sind in der Regel auch geschickte Fechter.

BZ: Alte Waffen waren ja nicht gerade Federgewichte. Ist das bei den Theaterdegen ähnlich oder sind die leichter?

Vöhringer: Unsere Degen wiegen etwas weniger als ein Kilogramm. Historisch ist es so: Je neuer die Waffe, desto dünner. Wir haben mit Sportfloretten angefangen und sind vor drei Wochen auf die schwereren umgestiegen. Sie sind historisch korrekter. Außerdem sieht man die dünnen Degen nicht im Scheinwerferlicht und es ist einfacher, eine schwere Waffe unter Kontrolle zu halten.

BZ: Hat es denn schon mal Verletzte gegeben?

Vöhringer: Dass mal jemand auf die Finger haut, kommt schon vor. Aber in meinen drei Jahren als Fechter haben wir noch keine Verletzung wegen des Kampfes gehabt, nur einmal eine während des Kampfes: Der Angegriffene sollte sich umdrehen und weglaufen, aber da stand ein Baum im Weg und er ist dagegen gerannt.

BZ: Neben dem Fechttraining haben Sie noch zwei Rollen im Stück, nämlich als Raoul de Bragelonne, der Sohn von Athos, und als königlicher Musketier. Wie lässt sich das alles unter einen Hut bringen?

Vöhringer: Meine Funktion als Fechtlehrer ist wesentlich größer denn die als Schauspieler! Aber es passt eigentlich sehr gut zusammen. Schwierig ist nur, dass ich bei zwei Kämpfen mitwirke und Choreographieren sehr schwer ist, wenn man nicht selbst zugucken kann. Aber alle haben einen wundervollen Werdegang hinter sich, geradezu atemberaubend – vor einem Dreivierteljahr hat noch keiner der 30- bis 50-jährigen Schauspieler einen Degen in der Hand gehabt! Ich bin sehr stolz auf sie. Man findet selten so motivierte Leute wie in diesem Theater.

Badische Zeitung, 11.06.2011

Der Hofstaat ging nicht baden

Obwohl der Sonnenkönig zeitweise im Regen stand und ein Gewitterschauer zu einer 15-minütigen Spielunterbrechung zwang, gelang die Premiere des Stücks „Der Mann in der eisernen Maske“, einem Mantel- und Degendrama im Frankreich des 17. Jahrhunderts, einfach glanzvoll. Was das Ensemble des Theater im Steinbruch trotz aller Widrigkeiten vollbrachte, grenzt an körperlichen und geistigen Leistungssport.

Leidensfähigkeit und Ausdauer waren genauso gefragt wie Akrobatik, hohe Schauspielkunst und perfekte Tanzdarbietungen. Klitschnass im edlen historischen Kleid als Königinmutter von Spanien (Beate Arnold) die Contenance zu bewahren oder den Säbel auf glattem Bühnenboden noch perfekt zu beherrschen, ohne den Gegner zu verletzten, das verdient stehenden Beifall. Ein Lob auch an die Helfer, die nach dem heftigen Gewitterregen den Bühnenboden vom Wasser befreiten, sonst wäre an diesem Abend der Hofstaat baden gegangen und die Besucher enttäuscht nach Hause.

Das 17. Jahrhundert ist zwar lange Geschichte, die kleinen oder großen Rochaden um Macht, Geld und Liebe bleiben allgegenwärtig. Eine Gegebenheit, welche sich die Emmendinger Kulturpreisträger Simone Allweyer und Clemens Allweyer zunutze machten. Alleine schon das pompöse Bühnenbild verhieß ein besonders anspruchsvolles Theatererlebnis. Die Handlung, die Clemens Allweyer in das Mantel- und Degenstück hineininterpretiert verpackte, erfordert eine gute Portion Aufmerksamkeit. Allweyer vermag es vorzüglich, ein Stück sehr vorsichtig mit Anflügen sanfter Ironie zu würzen. Gleich zu Beginn hält sich der schwächende Jesuitengeneral (Gerhard Oswald) nur mit einem Mittelchen des Quacksalbers Doktor Fuentes aus Madrid auf den Beinen, später wird dann sein Nachfolger (Clemens Allweyer) zum Kardinal ernannt und in das „Haifischbecken von Rom“ entlassen. Gunter Hauß hätte auch in Wirklichkeit den Sonnenkönig Louis XIV. in seiner Zeit übernehmen können. Diese Rolle war ihm auf den Leib geschneidert. Bewegungen, Mimik und Tonfall, dann die Rolle als feuriger Liebhaber – er füllte sie alle bravourös aus.

Alte Männerfreundschaften halten meist länger als wilde Liebschaften. Die drei einstigen Musketiere Aramis (Clemens Allweyer), Porthos (Harald Hornung) und der alte Haudegen Athos (Christian Fuhrmann) kamen in die Jahre und waren plötzlich im Begriff, ein Stück Welt- und Kirchengeschichte mit zu schreiben. Die Mühen und Ausdauer unzähliger Proben unter der Federführung von Simone Allweyer seit vergangenem November haben sich ausgezahlt. Kaum ein Worthänger war zu bemerken, lediglich eine etwas kräftigere Stimme bei den Hofdamen hätte die Dialoge verständlicher gemacht.

Juliana Bachert als Louise de la Valerie war in doppeltem Sinne reizvoll, während Jasmin Baumgratz als Herzogin von Chevreuse schicksalhaft die Fäden spann und mit den Waffen einer Frau die Männer zu Marionetten werden ließ. Beeindruckende, geradezu umwerfende Fechtszenen und ein anmutig getanztes Menuett ließen kurzzeitig vergessen, im Zeitalter der Schnelllebigkeit zu sein. Gewissenskonflikte und Zwiespalt zu verkörpern, wie es der Kommandant der königlichen Leibwache D’Artagnan zu durchleben hat, bewältigte Michael Schäfer ergreifend. Ob bei diesem höchst sehenswerten Geschichtskrimi letztendlich die Probleme mit dem Säbel oder im Schlafgemach bei Hofe gelöst werden, wird nicht verraten. Sollte aber unbedingt jeder wissen – hingehen!

Badische Zeitung, 19.06.2011

Gelungene Premiere im Emmendinger “Theater im Steinbruch”

Intrigen, Erpressung, Verrat und ein verblüffendes Ende: Gestern Abend fand im Emmendinger “Theater im Steinbruch” die Premiere der diesjährigen Sommerinszenierung “Der Mann in der eisernen Maske” statt. Soviel schon vorweg: Die lebhafte Aufführung war ein voller Erfolg und begeisterte die rund 200 Zuschauer. Kein Wunder: Die schauspielerische Leistung stimmte. Das gelungene Bühnenbild, farbenfrohe Kostüme und nicht zuletzt die besondere Atmosphäre im ehemaligen Steinbruch an der Steinstraße taten ein Übriges.

Da spielte es auch keine große Rolle, dass die Aufführung zu Beginn der zweiten Hälfte wegen eines Regenschauers kurz unterbrochen werden musste. Denn der war genauso schnell vorbei wie er gekommen war. Schauspieler, Hintergrundakteure sowie Zuschauer behielten die Nerven und nach Ende des Regens versetzte das Putzteam die Bühne im Handumdrehen wieder in einen bespielbaren Zustand.

Die Aufführung, “Der Mann mit der eisernen Maske” basiert auf dem gleichnamigen Werk von Alexandre Dumas, dem Schöpfer der “Drei Musketiere“. Die zwischenzeitlich deutlich gealterten Recken spielen auch in diesem Stück eine wichtige Rolle. Sie beschließen auf Initiative des Musketiers Aramis (Clemens Allweyer), der zwischenzeitlich zum Bischof avanciert ist, König Ludwig den 14. (Gunter Hauß) aus dem Weg zu räumen. Der Sonnenkönig hat sich wegen seiner Rücksichtslosigkeit und seinem lockeren Umgang mit der Staatskasse reichlich unbeliebt gemacht.

Da trifft es sich gut, dass plötzlich ein bislang unbekannter Zwillingsbruder des Königs auftaucht, der diesem verblüffend ähnlich sieht. Nach allerhand Intrigen, Kuppeleien und Fechtduellen gelingt es den Musketieren, Ludwig den 14. durch den Zwillingsbruder zu ersetzen. Legalisiert wird das Ganze am Ende durch eine verblüffende Interpretation der Thronfolgeregelungen durch den kaltschnäuzig agierenden Bischof Aramis.

Wegen der großen Anzahl der Akteure und den vielfältigen Personenbeziehungen erfordert es allerdings etwas Konzentration der Handlung zu folgen. Vor allem für Zuschauer, die mit dem Werk von Alexandre Dumas nicht vertraut sind. Immerhin 24 Schauspieler sind erforderlich, um das Stück in Szene zu setzen. Einige davon gleich in mehreren Rollen.

Bühne und Bühnenbild sind ausgesprochen pfiffig gestaltet. Die Handlung alterniert zwischen einem Kloster, dem königlichen Schloss und der Bastille. Alle drei Handlungsorte stehen im Steinbruch praktischerweise nebeneinander, so dass während der Aufführung nicht umgebaut werden muss. Die Akteure spielen zumeist nah am Publikum und vermitteln den Zuschauern so den Eindruck, mitten im Geschehen zu sein.

Am Ende dankte der Vorsitzende des “Theater im Steinbruch”, Hans-Joachim Wipfler, Regisseurin Simone Allweyer, Autor und Darsteller Clemens Allweyer, den Regieassistentinnen, Schauspielern, Maskenbildnern, Bühnenbauern und -technikern sowie den Helfern an Kasse und Verpflegungsständen für die gelungene Premiere und ihr Engagement – alles ehrenamtlich versteht sich. Und dann ging es ab zur Premierenfeier.

Regio Trends, 19.06.2011

Der Regentanz des Sonnenkönigs

Premiere mit Hindernissen: Schien der Wettergott der Aufführung am Samstag zuerst noch halbwegs wohlgesonnen, zwang im zweiten Teil ein Regenschauer zu einer kurzen Unterbrechung. Man sah das Ensemble und die Crew des Theaters im Steinbruch Stoßgebete in den Gewitterhimmel schicken – mit Erfolg, so scheint es, denn der Regen ließ nach und das Stück wurde planmäßig bis zum Ende aufgeführt.

Die Zwangspause tat weder dem Elan der Darsteller, die höchst professionell und leidensfähig den Wetterumständen trotzten, noch der Resonanz beim Premierenpublikum Abbruch. Die Adaptation nach einem Roman von Alexandre Dumas dem Älteren entfaltete sich vor einem beeindruckenden Bühnenbild als dynamisches Stück mit einem guten Schuss Ironie (Script: Clemens Allweyer, Regie: Simone Allweyer). 24 aufwendig kostümierte Darsteller werden das Leben im 17. Jahrhundert am Hofe Ludwigs XIV. bis zum 6. August noch 14 Mal aufleben lassen.

Welcher der Namen zu welcher Intrige gehört, dem ist in den ersten Minuten nicht immer einfach zu folgen. Doch schnell laufen die Fäden zusammen und die Handlung entfaltet sich im Wechselspiel von Liebe, Intrige, Verrat und Königstreue. Wie es zu einem Mantel- und Degen-Stück gehört, durchziehen eindrucksvolle Fechtszenen (einstudiert unter der Regie von Jonathan Vöhringer, im Stück „Raoul de Bragelonne“) die Handlung. Gunter Hauß(in einer Doppelrolle) mimt den fiesen französischen Despoten herrlich arrogant und machte am Samstag sogar auf nasser Bühne noch eine gute tänzerische Figur. Juliana Bachert gibt frisch und talentiert die Louise de la Vallière, die die Ereignisse ins Rollen bringt. Bei all den liebreizenden Hofdamen kommt auch der Humor nicht zu kurz. Johannes Wipflers Darstellung des vertrottelten Herzogs von Orléans, Gemahl der intriganten Mätresse des Königs (Simone Bruder), und der joviale Porthos (Harald Hornung), der bei den in die Jahre gekommenen Musketierkollegen (Aramis: Clemens Allweyer, Athos: Christian Fuhrmann) kämpferisch gute Laune verbreitet, sorgten beim Publikum für selbige. Wer wissen will, wer hinter der Maske steckt: Den kompletten Spielplan gibt es unter www.theater-im-steinbruch.de.

Emmendinger Tor, 22.06.2011