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Ein romantisches Weihnachtsmärchen
Wer kennt sie nicht, die romantische Weihnachtsgeschichte „Der kleine Lord Fauntleroy“. Der legendäre Film aus 1980 nach dem gleichnamigen Roman von Frances Hodgson Burnett aus dem Jahre 1886 wird alljährlich in der Adventszeit im Fernsehen ausgestrahlt. Und obwohl viele den Klassiker schon in- und auswendig kennen, übt er auf den Zuschauer stets von Neuem eine gewisse Faszination aus.
So wie auch die Premiere des Winterstücks am Freitagabend [sic!] im Theater im Steinbruch. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt war die Haupttribüne ausverkauft. Große und kleine Besucher, allesamt warm eingepackt, wollten sich die Aufführung nicht entgehen lassen. Die Story dürfte bekannt sein: Der achtjährige [sic!] Cedric lebt mit seiner Mutter in New York. Er ahnt zunächst nicht, dass sein verstorbener Vater einer alten britischen Adelsfamilie angehörte. Durch die Heirat mit einer bürgerlichen Amerikanerin ist er jedoch enterbt worden. Eines Tages lädt sein Großvater, der Earl of Dorincourt, Cedric nach England ein. Er möchte seinen einzigen Nachfahren kennenlernen und standesgemäß erziehen. Der liebenswerte Junge hat jedoch einen überraschenden Einfluss auf den alten Mann.
Regisseur Gunter Hauß und seine Assistentinnen Alice Müller und Svenja Mutschler haben das Stück einfallsreich inszeniert und die Rollen sind hervorragend besetzt: Egal ob Adrian Herb, der den unvoreingenommenen und aufgeweckten Cedric Errol (Lord Fauntleroy) spielt oder seine besten Freunde, der Gemischtwarenhändler Silas Hobbs (Hans Bürkin) und Schuhputzer Dick Tipton (Johannes Wipfler), beides eingefleischte Proletarier, die die britische Aristokratie hassen. Clemens Allweyer überzeugt als Earl of Dorincourt namens John Arthur Molyneux Errol. Ein alter, griesgrämiger Aristokrat, der zurückgezogen auf seinem Schloss lebt und seines Lebens überdrüssig ist. Da er seinen Sohn verstoßen hat, soll nun sein Enkel Cedric seine Nachfolge antreten. Und der „amerikanische Bengel“ schafft es tatsächlich, seinen Opa zu begeistern und dessen ungeahnte gute Seiten herauszukehren. Wären da noch Cedrics Mutter Mrs. Errol (Franziska Bosch), die bürgerliche Ehefrau des verstoßenen Earl-Sohns, die sich fürsorglich um ihren achtjährigen [sic!] Sprössling kümmert und ihn mit viel Liebe und Respekt erzieht oder Havisham (Michael Schäfer), der treu ergebene, aber nicht unbedarfte Rechtsanwalt des Earl, und dessen Wirtschafterin Dawson (Andrea Gerhold), eine forsche und aufrichtige Hausangestellte, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält.
Welches Stück hätte wohl besser in die Vorweihnachtszeit gepasst? Insbesondere, wenn das Freilichttheater dieses Jahr ein großes Jubiläum feiert: „100 Jahre Amateurtheater in Emmendingen“. 1924 hob sich der Vorhand zum ersten Mal. Die „Dramatische Gesellschaft“, ein Vorläufer des Vereins „Theater im Steinbruch“, der die Theatertradition seit rund zwei Jahrzehnten erfolgreich fortführt, brachte damals im Dreikönigssaal das Lustspiel „Im weißen Rössl“ zur Aufführung. Weitere Vorstellungen des Winterstücks „Der kleine Lord Fauntleroy“ in der Freilichtbühne gibt es an den nächsten drei Wochenenden, jeweils samstags und sonntags um 17.30 Uhr.
Emmendinger Tor, 04.12.2024
Theater im Steinbruch zeigt „Der kleine Lord“
Die Welt ein kleines Stück besser machen – das vermittelt „Der kleine Lord Fauntleroy“. Es ist ein bezauberndes Weihnachtsmärchen, das das Theater im Steinbruch auf die Bühne bringt.
Die Atmosphäre bei der Premiere passt perfekt: Es ist dunkel, nur der jeweilige Schauplatz ist erleuchtet – und der Steinbruch im Hintergrund. Und es ist kalt, bei null Grad sieht man den Atem der Schauspieler. Die Stimmung ist gut: Warm eingepackt und mit Heißgetränken bewaffnet, sitzen die Zuschauer auf der ausverkauften Haupttribüne.
Auf der Bühne prallen Welten aufeinander: Hans Bürkin überzeugt als bärbeißiger amerikanischer, demokratisch eingestellter Gemischtwarenhändler Silas Hobbs mit großem Herzen. Er schimpft und poltert über Engländer. Pech nur, dass sein kleiner Freund Cedric Errol (Adrian Herb) einen Engländer zum Vater hat. Zu seinen Freunden zählt auch Dick Tipton (Johannes Wipfler), Schuhputzer aus Leidenschaft, ehrlich, fleißig und zuversichtlich trotz geschäftlicher Probleme. Auch Cedrics Mutter (Franziska Bosch) hat es schwer. Sie ist es, die Cedric Werte fürs Leben vermittelt; und Prinzipien, denen sie auch bei finanziellen Verlockungen und gegenüber ihrem Schwiegervater überzeugend treu bleibt.
Der schickt nämlich den steifen Anwalt Havisham, um Enkel Cedric zu holen. Michael Schäfer geht und steht, als habe er ein Lineal verschluckt, zeigt aber bald: So ganz auf der Linie seines Auftraggebers ist er nicht. Er guckt noch „not amused“, als der kleine Lord mit dem Geld, das ihm sein Großvater zur Verfügung stellt, seine Freunde beschenkt. Aber er fühlt auch mit dem armen Pächter Higgins (Frank Müller), der mit seiner Familie im ungeheizten Haus wohnt und kein Geld für dringend nötigen Medikamente, geschweige denn die Pacht hat. Der kleine Lord weiß sofort, was da zu tun ist – und sein Großvater lässt ihn gewähren, ist er doch längst „guter Kumpel“ seines Enkels.
Zuvor war dieser Earl of Dorincourt ein ganz anderer Typ, an dem auch Wirtschafterin Dawson (resolut: Andrea Gerhold) kein gutes Haar lässt: Clemens Allweyer gibt einen herrlich eigenbrötlerischen und grummeligen Gichtkranken und nennt seinen Enkel schon mal „Menschheitsbeglücker“. Seine Schwiegertochter hasst er, bloß weil die Amerikanerin ist, und von denen hält er so wenig wie Cedrics amerikanischer Freund von Aristokraten. Einen solchen will er nun aus diesem amerikanischen Rotzbengel machen. Adrian Herb spielt den kleinen Lord frisch, unbekümmert, überzeugend und fokussiert auf das Gute.
Nur eines erreicht Cedric (noch) nicht: dass seine Mutter im Schloss wohnen darf. Kein Wunder, dass die Schwester des alten Lord, Lady Constancia Lorridaile (Simone Allweyer), ihren Bruder ein griesgrämiges, nachtragendes Scheusal nennt. Doch er ändert sich. Lady Fauntleroy platzt herein, angeblich die Frau seines ältesten Sohnes; nur hauchdünn übertüncht, gibt Daniela Muser eine geldgierige Hochstaplerin.
Unter der Regie von Gunter Hauß haben die Schauspieler das Stück überzeugend auf die Bühne gebracht. „Nehmen Sie die Wärme mit, die Adrian so schön gezeigt hat“, rät die stellvertretende Vorsitzende Jasmin Baumgratz und weist darauf hin, wie jeder gezeigt habe, was man aus einer Rolle machen könne. Vorsitzende Silvia Gschwendtner holt zum Schlussapplaus das ganze Team auf die Bühne, von der Bewirtung bis hin zur Technik. Für die weiteren Vorstellungen gibt es nur vereinzelt Restkarten.
Badische Zeitung, 02.12.2024
Emmendingen: Ein Adliger besucht den Steinbruch
Das Theater im Steinbruch zeigt einen Weihnachtsklassiker: Der kleine Lord. Schon seit Jahren steht das Stück auf der Wunschliste des Regisseurs. Doch erst jetzt passe alles zusammen, sagt er.
Einen Weihnachtsklassiker spielt das Theater im Steinbruch an den vier Adventswochenenden: „Der kleine Lord Fauntleroy“ verspricht eine schöne Einstimmung auf das Weihnachtsfest für Groß und Klein. Der Ansturm auf die Karten ist bereits groß. „Wir werden nicht den Film nacherzählen“, sagt Regisseur Gunter Hauß, „und wir werden den Klassiker nicht modernisieren, der Geschichte aber schon was Neues geben“. Gespielt wird in Kostümen der Originalzeit. Für Hauß ist es die achte Inszenierung als Regisseur und das vierte Freiluft-Winterstück.
Hauß hat eine persönliche Sympathie für den kleinen Lord, wie er erzählt, und hätte das Stück gern früher auf dem Spielplan gehabt. Aber das Thema „alter Griesgram – zu Weihnachten geläutert“ war beim ersten Winterstück 2018 im Dickens-Stück „Fröhliche Weihnachten, Mister Scrooge“ abgedeckt und Abwechslung ist Trumpf beim Theater im Steinbruch. Dann stand das Stück zwar für Weihnachten 2022 auf der Auswahlliste, aber es waren zahlreiche Mädchen im Ensemble, für die es im „Kleinen Lord“ keine Rollen gegeben hätte. Doch diesmal passe alles, das Ensemble ebenso wie das Bühnenbild. Nachdem sich der Verein erst vor zwei Monaten in vielen Positionen neu aufgestellt hat, sollte der Aufwand nicht aus dem Ruder laufen. Also wird Vorhandenes kreativ genutzt: Die Kirche aus dem Sommerstück „Don Camillo“ wird zum Schloss, die Parteizentrale zum Gemischtwarenladen und die italienische Gemeinde wird nach England verlegt. Die Technik setzt auf schöne Atmosphäre, Winter und Dunkelheit helfen dabei – das hält den Aufwand in Grenzen. Schließlich gibt es im Jubiläumsjahr 100 Jahre Amateurtheater erstmals nach 2014 wieder vier Theaterstücke.
Das Stück hat zehn Textrollen, es spielen fünf Männer, vier Frauen und ein Kind, die Altersspanne reicht von zwölf bis 66 Jahren. Die Mehrzahl hat schon seit Jahren in vielen Produktionen mitgewirkt, aber es gibt auch Neulinge beziehungsweise welche mit wenig Spielerfahrung. Mitte September gab es die ersten Leseproben, dann ging es direkt raus. Und weil das Zeitfenster für die Produktion knapp ist – Premiere ist am 30. November – , waren bald zwei bis drei Probentermine pro Woche gesetzt; in der letzten Woche werden es vier sein.
Gefeilt wird an jedem Detail – etwa einem weiteren Flicken auf der Jacke des Schuhputzers – und an ganz praktischen Dingen. Wenn das Keksessen dem Gemischtwarenhändler in einer Szene auf die Stimme geht, muss er in dem Moment verzichten. Der Regie-Rat an den „kleinen Lord“ lautet: „Lass dir Zeit mit dem Text.“ Nicht so einfach, wenn man vom Rennen außer Puste ist. Auch am Text wird noch gefeilt – er muss perfekt sitzen und Doppelungen werden herausgenommen.
Gespielt wird nach dem Text von Marc Gruppe. Hauß mag dessen Textfassungen, wie er sagt, weil Gruppe die Geschichte auf das Wesentliche beschränke. Das sorgt für ein dichtes Theatererlebnis und dafür, dass es dem Publikum selbst bei niedrigen Temperaturen – beim Probenbesuch waren es grade mal fünf Grad plus – nicht so schwerfällt stillzusitzen. Wegen des Brandschutzes, aber auch wegen der Nachhaltigkeit werde auf Heizpilze verzichtet, sagt Hauß. Dafür gibt’s heiße Getränke zum Aufwärmen, erstmals auch alkoholfreien Glühwein.
Ansonsten helfen die Anti-Kälte-Klassiker, und da dürfen sich die Zuschauer gern vom Schauspielteam was abgucken: das Zwiebelprinzip, Skiunterwäsche unter wintertauglichen Kostümen, Hut, Mütze und Schal. Auch eine Perücke kann nicht nur beim alten Lord Wunder wirken – und beheizbare Jacken und Westen, beispielsweise beim kleinen Lord und bei der Regieassistenz. Alle tragen zudem beheizte Einlegesohlen in den Schuhen, verrät Hauß. Schließlich soll sich keiner erkälten. Nur für eine Rolle gibt es eine zweite Besetzung und die ist nicht als Krankheits-, sondern als Verhinderungsvertretung gedacht. Was das Ensemble nicht darf, wohl aber das Publikum: Sich in Decken (am besten mitbringen!) und/oder in einen Schlafsack hüllen. Keine Sorge – einschlafen wird niemand! Dazu verspricht es viel zu schön zu werden und auch spannend.
Badische Zeitung, 19.11.2024